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BAUSTEIN 151 - 200

200. Lebensleitlinien  -  10. Oktober 2012

Im Lauf der letzten Jahre habe ich einige Sätze gesammelt. Sie sind auch meine Lieblingszitate auf Facebook geworden. Eigentlich sind es Lebensleitlinien.

"Leben und leben lassen."
--- Anonymus

"Meine Kirchgemeinde ist die Menschheit und mein Gotteshaus ist die Erde."
--- Werner Krotz

"Selber schauen, selber denken, selber leben."
--- Werner Krotz

"Was wäre das für ein armseliger Gott, der nur drei Falten hat."
--- Werner Krotz

"Gehe nicht, wohin der Weg führen mag,
sondern dorthin, wo kein Weg ist,
und hinterlasse eine Spur."
--- Jean Paul

"Glaubst du noch oder lebst du schon?"
--- Claudia Adams

"Ich glaube nichts und ich vertraue bedingungslos."
--- Werner Krotz

"Non - rien de rien.
Non - je ne regrette rien."

--- Edith Piaf

"Act, don't react."
--- Vitvan

"Sólo Dios basta.          Gott allein genügt."
--- Teresa von Ávila

Lebensleitlinien sind für mich auch die vier grundlegenden Bodhisattva-Gelübde, in der von mir vorsichtig und geringfügig geänderten Fassung. Das erste lautet: "Zahllos sind die Wesen; ich gelobe, sie alle zu befreien."

Vorgestern Nachmittag hatte ich ca. vierzig Minuten Wartezeit auf einen Zug und saß in der Bahnhofshalle vom Wiener Westbahnhof, in völliger Ruhe, total mit dem ersten Bodhisattva-Gelübde verbunden, ganz auf jeden einzelnen Menschen ausgerichtet, der in mein Blickfeld kam.

Ja, so ist es.

(Siehe auch: 195. Meine Arbeit mit den Bodhisattva-Gelübden.)

Ergänzung vom 1. November 2012:

In meinen literarischen Tagebüchern habe ich folgende Eintragung vom 1. November 2004 gefunden:

Lebensregeln
1. Sag niemals nie.
2. Suche keine Erklärungen.

Ergänzung vom 11. Februar 2019:

Die Sätze, die heute für mich keine Lebensleitlinien mehr sind, habe ich durchgestrichen.

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199. Das Glühbirnen-Aus, ein EU-Diktat  -  3. Oktober 2012

In der Ausgabe 121 (September/Oktober 2012) der Schweizer Zeitschrift "Zeitpunkt" erschien ein Artikel mit dem Titel "Licht aus!" Der Artikel beginnt mit dem Satz: "Im September ist endgültig Schluss mit den Glühbirnen - ein verhängnisvoller Fehlentscheid."

Der Artikel zitiert Hans Arpke, den Energieexperten des Landkreises Weilheim/Schongau (Südbayern): "Auch die Last des Energiesparens sowie die moralische Schuld am Klimawandel wird überwiegend dem 'kleinen' Endverbraucher aufgebürdet, während man im Großen gigantische Verschwendung duldet. Es wird so getan, als sei mit dem Verbot der konventionellen Glühbirne Wesentliches für den Klimaschutz geleistet. Die Wahrheit ist: Nur rund ein Zehntel des CO2-Ausstoßes entfällt überhaupt auf Privathaushalte; davon wird nur ca. ein Zwanzigstel durch Beleuchtung verursacht. Die Bedeutung der Wohnungsbeleuchtung ist für das Gesamtbild verschwindend gering."

Ich fasse nun einige Punkte des Artikels zusammen.

Der Artikel sagt nichts über LED-Lampen. Daher ziehe ich für diese Lampen den Artikel "Endgültiges Aus für die Glühbirne" aus der österreichischen Zeitschrift "Ganze Woche" Nr. 35 vom 29. August 2012 und einen darauf bezüglichen Leserbrief aus "Ganze Woche" Nr. 38 vom 19. September 2012 heran.

Nach dem Artikel in der "Ganzen Woche" will die EU spätestens 2014 das Glühbirnenverbot überprüfen.

Auf www.gluehbirne.ist.org gibt es einen genauen Zeitplan für das Glühbirnenverbot. Nach diesem Zeitplan werden bis 2016 auch fast alle Halogenlampen verboten sein. Alle matten Lampen sind jetzt schon verboten. Noch gibt es einige Stellen, bei denen man Glühbirnen kaufen kann, da Lagerbestände verkauft werden dürfen.

Auf www.pro-gluehbirne.at kann man in Österreich eine Petition zur Wieder-Legalisierung der Glühbirne unterzeichnen. Meine Frau und ich haben hier unterschrieben.

Petitionen in Deutschland: www.gopetition.com/petitions/pro-gluhbirnen.html,
www.openpetition.de/petition/online/aufhebung-des-gluehbirnenverbots.

Auf www.umweltbildung.at wird der österreichische Dokumentarfilm "Bulb Fiction" vorgestellt. Der Film ruft zum Widerstand gegen Fremdbestimmung auf. "Der Dokumentarfilm Bulb Fiction nimmt das Verbot der Glühlampe zum Anlass, um Macht und Machenschaften der Industrie sowie den Widerstand gegen die 'Richtlinie zur Regulierung von Lichtprodukten in privaten Haushalten' zu porträtieren. Es geht um die Macht der Industrie und ihrer Lobbys, die Verstrickung der Politik in diese Machtstrukturen, um Profit und Scheinheiligkeit, um bewusste Fehlinformation."

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198. Was geschah am 11. September 2001?  -  26. September 2012

Nun ist es elf Jahre her, seit das Geschehen vom 11. September 2001 und die Reaktion der Politiker der USA und anderer Länder zu Angriffskriegen gegenüber Afghanistan und dem Irak, zur Aushöhlung demokratischer Grundrechte und zur Verstärkung von Feindseligkeit und Terrorismus geführt hat.

Wegen offensichtlicher Ungereimtheiten im offiziellen 9/11-Untersuchungsbericht lancierte der Schweizer Journalist Stefan Schaer im Jahr 2011 eine Unterschriftensammlung für eine neue, unabhängige 9/11-Untersuchung. Unterschriften und Statements können nach wie vor auf folgenden Websites abgegeben werden:
www.911untersuchen.ch, www.911untersuchen.de, www.911untersuchen.at.

Ich habe vor mehr als einem Jahr unterschrieben, da ich glaube, dass ein Selbstreinigungsprozess der politischen Szene dringend erforderlich ist.

Auf seinem Blog www.stefan-schaer.ch hat Stefan Schaer vor einem Jahr "Zehn Geschichten zu 9/11" veröffentlicht, die seine Initiative begründen. Ich gebe eine kurze Zusammenfassung.

1. Die Finanzierung der Anschläge:
Die 9/11-Kommission konnte nicht feststellen, woher das Geld für die Anschläge gekommen war. Es stand für die Kommission jedoch von vornherein fest, dass die Anschläge von al-Qaida geplant und durchgeführt wurden.

2. Insiderhandel:
In den Tagen vor dem 11. September 2001 wurde an den Börsen massiv auf den Wertverlust verschiedener Aktien von "beteiligten" Firmen spekuliert. Da al-Qaida nicht profitierte, stufte die Kommission diese Spekulationen als "unschuldig" ein.

3. Der Koffer von Mohammed Atta:
Am Morgen des 11. Septembers flogen Mohammed Atta und Abdulaziz al-Omari von Portland nach Boston. Der Koffer blieb zufälligerweise im Flughafen von Boston hängen. Er enthielt unter anderem das Testament von Atta und den Pass von al-Omari. Es ist aus der Sicht Mohammed Attas wenig sinnvoll, sein Testament mit in den Todesflug zu nehmen. Und es ist unverständlich, wie Abdulaziz al-Omari an Bord seiner Flüge gelangen konnte, wenn sein Pass in Attas Koffer war.

4. Unterwegs mit Bush und Rumsfeld:
Präsident Bush und Verteidigungsminister Rumsfeld waren in den entscheidenden Momenten anderweitig beschäftigt und reagierten nicht auf erste Informationen über die Katastrophen.

5. Wargames - das totale Chaos:
Am Morgen des 11. Septembers fanden zahlreiche Übungen der US-Luftwaffe statt. Sie übte unter anderem den Umgang mit entführten Passagiermaschinen. In den entscheidenden Minuten war es sowohl den zivilen als auch den militärischen Fluglotsen unmöglich, zu unterscheiden, was real und was eine Übung war.

6. Unfassbare Manöver:
Von den Flugzeugen, die ihr Ziel trafen, gab es erst im letzten Moment Radardaten. Die automatisch ausgelösten Absturzsignale wurden um mehrere Minuten zu früh gesendet. Die möglichen Höchstgeschwindigkeiten für eine Boeing 767 wurden weit überschritten.

7. Die Raytheon Company:
Fünf Mitarbeiter der Raytheon Company befanden sich in drei der vier entführten Flugzeuge. Sie waren Experten für elektronische Kriegsführung und die Raytheon Company ist Weltmarktführer in Sachen ziviler und militärischer Fernsteuerung von Flugzeugen und einer der wichtigsten Vertragspartner des Pentagon und der US Air Force.

8. Die "Beweise" gegen Osama bin Laden:
In den Tagen nach 9/11 distanzierte sich Osama bin Laden mehrfach von den Anschlägen. Dann lobte er die Anschläge, ohne die Verantwortung zu übernehmen. Die entscheidenden Passagen in dem späteren angeblichen Geständnis-Video sind falsch übersetzt. Osama bin Laden stand auf der "Most Wanted Terrorists"-Liste des FBI, jedoch nicht wegen 9/11, da der FBI keine eindeutigen Beweise ("hard evidence") gegen ihn hatte.

9. Die "Geständnisse" des Chalid Scheich Mohammed:
Er gilt als der Mann, der die al-Qaida-Aktion im Auftrag Osama bin Ladens geplant und organisiert hat. Er soll 2002 ein Interview gegeben haben, in dem er bezüglich 9/11 die volle Verantwortung übernahm. Es gibt keinen Beweis dafür, dass das Interview tatsächlich stattgefunden hat. Ein angeblich aufgenommenes Video-Tape konnte nicht vorgewiesen werden. Am 1. März 2003 wurde Chalid Scheich Mohammed festgenommen und schließlich nach Guantanamo gebracht. Dort gestand er die Planung von 9/11 und von 31 weiteren geplanten oder durchgeführten Anschlägen. Er wurde in Guantanamo 183-mal dem Waterboarding - dem simulierten Ertränken - unterworfen. Die erzwungenen Aussagen haben keinen Wert.

10. Die Kommission – "set up to fail":
Die Bush-Administration wehrte sich gegen die Einsetzung einer Kommission. Erst als die Hinterbliebenen der Opfer großen Druck machten, willigte George W. Bush in eine zeitlich und finanziell beschränkte Untersuchung ein. Die Kommission wurde immer wieder bei der Arbeit behindert und durfte in wichtige Papiere keinen Einblick nehmen. Wichtige Zeugen wurden nicht zugelassen.

In einem anderen Blog-Eintrag schreibt Stefan Schaer: "Wie nötig eine neue, unabhängige Untersuchung ist, zeigt alleine das Verhalten jener Leute, die im Fall 9/11 offiziell ermittelt haben. Mittlerweile haben sich nämlich die beiden Leiter der 9/11-Untersuchungskommission, Thomas H. Kean und Lee H. Hamilton, von ihrem Bericht distanziert. Bob Graham, der Leiter der parlamentarischen Joint Inquiry, fordert gar selbst eine neue Untersuchung."

Stefan Schaer bezieht sich in seinen zehn Geschichten auf den Bericht der Kommission. Von den vielen anderen Unstimmigkeiten erwähne ich die folgende.

"WTC 7 stürzte am 11. September 2001 um 17.20 Uhr nahezu in Fallgeschwindigkeit völlig in sich zusammen. Kein Flugzeug hatte dieses Gebäude getroffen. Die US-Regierung untersuchte den Zusammensturz nicht und ließ ihn im offiziellen Untersuchungsbericht unerwähnt. Der Zusammensturz war aber gefilmt worden. Er wirkt wie eine kontrollierte Sprengung." (Thomas Immanuel Steinberg auf www.911untersuchen.de.)

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197. Die Aborigines und die Wiedergeburt  -  25. September 2012

In dem Buch "Message from Forever" der amerikanischen Ärztin Marlo Morgan, das den irreführenden deutschen Titel "Traumreisende" trägt, berichtet die Autorin davon, dass für die australischen Aborigines die Präexistenz der auf der Erde lebenden Menschen eine Selbstverständlichkeit ist. Die Geburt auf der Erde kommt durch die bewusste Wahl verantwortungsvoller Wesen zustande - des Wesens, das geboren werden will, und der Eltern, die sich darauf einstimmen.

Marlo Morgan spricht mit keinem Wort von Wiedergeburt, doch für einzelne Stämme der Aborigines hat auch die Wiedergeburt Bedeutung. Auch eine Wiedergeburt geschieht durch die bewusste Wahl verantwortungsvoller Wesen.

Wie wird die Erfahrung eines einzelnen Lebens bewahrt? "Eine Aborigines-Seele besteht aus zwei Teilen. Die eine Hälfte, die alle durchlebten Erfahrungen speichert, bleibt immer im Jenseits zurück. Mit ihr ist während des irdischen Daseins ein ständiger Kontakt möglich." (Aus: "Wiedergeburt – die indigenen Völker", Online-Magazin terravera.)

In einigen Bausteinen habe ich die Wiedergeburt in ablehnender Weise besprochen. Aus drei Gründen:
1. Für mich ist jedes Wesen etwas Einmaliges.
2. Ich habe Karma zu einschränkend empfunden. Die Aufarbeitung der Lebensgeschichte im Leben nach dem Tod, aber auch die Möglichkeiten der Vergebung und des stellvertretenden Handelns habe ich in den Vorstellungen von Karma nicht gefunden.
3. Ich hatte Angst vor einer neuen Geburt auf der Erde.

Wenn ich nun aber meine Gründe unter dem Blickwinkel der bewussten Wahl verantwortungsvoller Wesen ansehe, schaut es so aus:
1. Die Einmaligkeit eines Wesens geht auch bei einer Wiedergeburt nicht verloren.
2. Karma braucht nicht für ein striktes Gesetz gehalten werden. Es kann auch als eine Modellvorstellung gesehen werden.
3. Ich habe keine Angst mehr vor einer neuen Geburt auf der Erde.

Es ist nicht so, dass ich vorher gegen Wiedergeburt war und nun für Wiedergeburt bin. Es ist vielmehr so, dass ich vorher Wiedergeburt ausgeklammert habe. Nun bin ich für alle Möglichkeiten offen. Es geht darum, ein vorurteilsloser Beobachter zu sein.

Für mich ist ein einzelner Mensch mehr als eine Person. Die Person ist die Maske (persona), durch die das Eigentliche hindurchtönen (personare) kann, wie Graf Dürckheim das ausgedrückt hat. Wir sind unendliche Wesen, die als Menschen auf der Erde geboren werden. Jeder Mensch hat einen Erfahrungsschatz, der über seine Existenz auf der Erde hinausgeht.

Ich halte es für möglich, dass zwei Wesen zusammen eine Aufgabe übernehmen. Ich halte es für möglich, dass eine solche Aufgabe sich über mehr als eine irdische Existenz erstreckt. Ich ahne, dass Gerhild, meine Frau, und ich auf diese Weise miteinander verbunden sind.

Das ist ein Commitment.

(Siehe auch: 54. Was bedeutet die Wiedergeburt?)

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196. Kollektives Denken  -  1. September 2012

Die Kommission für Gruppendynamiken in Versammlungen vom Puerta del Sol Protest Camp (Madrid) arbeitete im Jahr 2011 einen Text mit dem Titel "Kurzanleitung: Gruppendynamiken in Bürgerversammlungen" aus. Ich zitiere einen Abschnitt aus der Einleitung des Textes:

"Wenn eine Entscheidung getroffen werden muss, neigt das normale Gesprächsverhalten zweier Menschen mit unterschiedlichen Meinungen dazu, konfrontativ zu sein. Jeder verteidigt seine Meinung mit dem Ziel, seinen Gegner zu überzeugen, und das solange, bis die eigene Meinung gewonnen hat oder zumindest ein Kompromiss erreicht werden konnte."

"Das Ziel von kollektivem Denken hingegen ist es, Neues zu erschaffen. Das bedeutet, zwei Menschen mit unterschiedlichen Ideen arbeiten zusammen, um etwas Neues zu kreieren. Die Betonung liegt also nicht auf: meine Idee oder deine; man verpflichtet sich vielmehr der Auffassung, dass zwei Ideen zusammen etwas Neues entstehen lassen können, etwas, das keiner von uns vorher ahnen konnte. Dieser Fokus erfordert von uns, dass wir aktiv zuhören, anstatt allein damit beschäftigt zu sein, unsere nächste Antwort vorzubereiten."

"Kollektives Denken entsteht, wenn wir verstehen, dass alle Meinungen, seien es unsere eigenen oder die anderer, berücksichtigt werden müssen, um Konsens zu erzeugen, und dass eine Idee, wenn sie erst einmal erschaffen ist, uns verwandeln kann."

Diese Gedanken sind meiner Meinung nach ganz wesentlich nicht nur für das Verhalten in Gruppen, sondern für jede Begegnung zweier Menschen. Zu oft habe ich leidvoll das hier kritisierte Verhalten erlebt, bei anderen Leuten und auch bei mir selbst.

Das Ganze funktioniert allerdings nur, wenn jegliches Machtspiel aufgegeben wird. Sonst wird unter der heuchlerischen Maske des neuen Verhaltens das Alte prolongiert. Es ist ein Lernvorgang, ein Übungsweg für uns alle.

Nicht nur bei Zusammenkünften von Menschen, die an einem Strick ziehen wollen, sondern auch bei Begegnungen von Menschen, die einander feind sind, ist das alternative Verhalten ein oft ungehobener Schatz.

Die Möglichkeit, ausgehend von zwei Ideen etwas Neues entstehen zu lassen, etwas, das keiner vorher ahnen konnte, ein Neues, das uns und unsere Beziehungen verwandelt, ist faszinierend. So werden ungeahnte Kräfte freigesetzt, die vorher blockiert waren - Kräfte der Liebe.

(Siehe: www.echte-demokratie-jetzt.de.)

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195. Meine Arbeit mit den Bodhisattva-Gelübden  -  25. August 2012

Ich habe mir angewöhnt, meine Bodhisattva-Gelübde täglich zu erneuern. Ich habe sie auch weiterentwickelt: von der buddhistischen Version der "vier großen Gelübde" über die Änderung aus der Hingabe an Gott und Nachfolge Jesu zur neuerlichen Änderung, um das christliche und das buddhistische Element in Einklang zu bringen. Im Folgenden stelle ich die drei Versionen in Spalten einander gegenüber. In die erste Spalte schreibe ich den Text in der Formulierung von Ruben Habito (Übersetzung von Niklaus Brantschen).






























Aus einem Teisho beim Wolkentor-Sangha: "Buddha hat nie über Gott gesprochen, weil es nicht möglich ist, über Gott zu sprechen. Was immer man über Gott sagen kann, ist falsch. Gott ist etwas, was nicht gesagt werden kann."

Daher habe ich in der dritten Version das Wort „Gott“ durch das Wort „Urgrund“ ersetzt. Für mich ist Gott keine Person und er ist transzendent. Man kann nicht mit ihm verschmelzen. Man kann nichts über ihn sagen, außer dass er die Urliebe ist und uns immer neue Horizonte und Möglichkeiten eröffnet, über alle unsere Vorstellungen von Zeit und Ewigkeit hinaus.

Nun habe ich mir schrittweise alles immer besser erklärt. Doch die Weisheit besteht nicht darin, immer mehr Worte zu finden, um alles immer besser zu erklären. Ich gehe daher auf eine einfache Form zurück. Ich werde die Bodhisattva-Gelübde ab jetzt in folgender Form täglich erneuern:

In der Hingabe an den transzendenten Gott und in der Verbundenheit mit Jesus und Siddhārtha sage ich:
• Zahllos sind die Wesen; ich gelobe, sie alle zu befreien.
• Maßlos sind die Gedanken und Gefühle von Gier, Hass und Verblendung; ich gelobe, sie alle zu lassen.
• Ungezählt sind die Tore der Wahrheit; ich gelobe, sie alle zu durchschreiten.
• Unvergleichlich ist der Weg der Erfahrung; ich gelobe, ihn mutig zu gehen.

Folgende Erklärung fand ich heute: "Das Bodhisattva-Gelübde besteht – vereinfacht ausgedrückt – aus dem Gelöbnis, sich auch dann freiwillig zu inkarnieren, wenn man es eigentlich nicht mehr muss. Und zwar zu dem Zweck, den noch nicht so weit fortgeschrittenen Suchern zur Seite zu stehen." (Aus: www.trinosophie.info.)

Das ist die gängige Erklärung, entspricht aber nicht meiner Auffassung. Mein Leben mit den Bodhisattva-Gelübden hat mit Reinkarnation nichts zu tun. Ich bin nicht von den Dogmen irgendeiner Religion abhängig. I am on my own.

(Siehe auch: 3. Leben ist Bewegung; 56. Meine neuen Bodhisattva-Gelübde.)

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194. Der Haselnussstrauch  -  17. August 2012

Bei uns im Garten haben wir ein Biotop. Heuer im Frühjahr gab es viele Kaulquappen dort, später dann junge Blindschleichen. Alle diese Tiere sind wieder verschwunden. Wir haben den Kater der Nachbarin sehr im Verdacht. Gestern sah ich ihn neben dem kleinen Teich sitzen. Er machte einen satten und zufriedenen Eindruck.

Unterhalb des Biotops ist ein kleines Holzplateau mit einer alten Holzbank. Dort liege ich in der warmen Jahreszeit gerne nach dem Mittagessen und mache die Augen zu.

Hinter dem Holzplateau wächst ein Haselnussstrauch. Im letzten Jahr ist er ordentlich groß geworden. Seine Zweige strecken sich über die alte Bank und er hüllt sie schon fast ein. Meine Frau hat mich schon einige Male gefragt, ob sie die Zweige nicht stutzen soll. Ich lehne das jedes Mal ab.

Ich bin glücklich unter dem Haselnussstrauch. Ich fühle mich von ihm umarmt und spüre dieses herrliche Wesen gern. Wenn ich die Augen aufschlage, sehe ich, wie mich die Sonne durch seine lebensvollen grünen Blätter anblinzelt.

Ist das nicht wunderbar?

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193. Eine neue Kirche?  -  13. August 2012

Der  austro-kanadische Industrielle Frank Stronach gründet in seinem Heimatland eine neue Partei. Er wird Spitzenkandidat der Partei bei der Nationalratswahl 1913 sein. In dem Interview, das er vorgestern der "Presse am Sonntag" gab, sagte er: "Ich bin jetzt dabei, weil ich sehe, dass das jetzige System nicht mehr funktioniert. Wir haben ein Machterhaltungssystem. ÖVP und SPÖ waren die letzten 50 Jahre an der Macht. [...] Wie kommt die Regierung zustande? Da setzen sich Wirtschaftskammer, Bünde, Arbeiterkammer, Gewerkschaft und die Raiffeisenbank zusammen und sagen: 'Pass auf, das ist unser Programm, das wollen wir durchpushen.' [...] Die Bevölkerung ist ausgeschlossen."

Frank Stronach rechnet damit, dass die neue Partei mehr als zehn Prozent der Stimmen bekommen wird. "Wir haben dann bessere Möglichkeiten als jetzt, der Bevölkerung zu erklären, wie das System funktioniert und wie es funktionieren könnte. Wir gehen keine Kompromisse ein. [...] Ich habe zu einer geistigen Revolution aufgerufen. Wenn wir zu lange warten und es schlecht geht, gibt es zerstörende Revolutionen. Es ist fünf vor zwölf."

In einem Artikel mit dem Titel "Das Kirchensystem 'ist keine Demokratie' – und so dem Niedergang geweiht" schreibt Herbert Kohlmaier: "Diese Sicht der Dinge lässt sich fast 'eins zu eins' auf die kirchlichen Reformkräfte übertragen. [...] Es gibt aber einen ganz wesentlichen Unterschied. Eine neue politische Partei zwingt anders als in der Kirche die herrschenden Kräfte, zu reagieren und sich selbst zu überprüfen. Wenn sie bei Wahlen Zustimmung erhält, muss auf ihre Ziele eingegangen werden."

Herbert Kohlmaier vergleicht das Agieren der neuen politischen Partei mit dem Agieren der Reformkräfte innerhalb der römisch-katholischen Kirche. Man kann die Gründung einer neuen Partei aber auch mit der Gründung einer neuen Kirche vergleichen.

Oh weh! Neue katholische Kirchen gibt es schon genug: die altkatholische Kirche, die katholisch-reformierte Kirche, die freikatholische Kirche, die neukatholische Kirche und andere. Trotzdem will ich jetzt spinnen und träumen.

Die Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils sind nicht so gut, wie sie immer gelobt werden, denn sie tasten weder die außerordentliche Stellung der römisch-katholischen Kirche noch die Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils an. Daher hat die internationale Bewegung "Wir sind Kirche" einen Prozess in Gang gesetzt, der als Vaticanum III bezeichnet wird und bei dem die Dokumente des Vaticanum II im Sinne eines "Nuovo Aggiornamento" überarbeitet werden. Bis 2015, also 50 Jahre nach dem Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils, soll alles fertig sein und bei einem Marsch nach Rom präsentiert werden.

Wäre es nicht schön, wenn eine neue katholische Kirche entstehen könnte, mit den Dokumenten des Vaticanum III als Basis?

Im Gegensatz zu den politischen sind die kirchlichen Missstände den meisten Menschen heutzutage egal. Also könnte sich eine solche neue Kirche keinen großen Zulauf erwarten.

Da und dort ist es fünf vor zwölf. Worauf es ankommt, ist eine kollektive Hebung der Menschheit auf ein neues Bewusstseinsniveau, ein Niveau des Leben-und-leben-Lassens aller einzelnen Menschen und aller politischen und kirchlichen Gruppierungen.

Komm, heiliger Geist.

Feedback von Paul Weitzer:

Dass die neuen Bearbeitungen „die außerordentliche Stellung der römisch-katholischen Kirche und die Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils“ antasten werden, ist wahrscheinlich ein frommer Wunsch von dir. Um die Neuformulierungen wird sicherlich gerungen werden, aber Aussagen, die dem Vat I und Vat II direkt widersprechen, wird es nicht geben. Schwerpunktänderungen, neue Sichtweisen u.Ä. werden sicherlich eingebracht werden…

Anmerkung vom 16. August 2012:

Wenn das so ist, höre ich auf zu spinnen und zu träumen und verweise auf einen früheren Baustein: 129. Die Zeit der Religionen ist vorbei.

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192. Basileia und Nirvāna  -  12. August 2012

Unlängst ging mir durch den Kopf: Basileia und Nirvāna müssen doch eigentlich miteinander verwandt sein. Daraufhin habe ich eine Internet-Recherche gestartet. Dabei fand ich folgendes Buch: "Buddhism made plain - An Introduction for Christians and Jews" von Anthony Fernando, bearbeitet von Leonard Swidler.

Ich zitiere und übersetze nun aus der Einführung von Leonard Swidler, den ich persönlich kenne und dessen Vorträge in dem Topos Taschenbuch 763 "Mitbestimmung und Menschenrechte - Plädoyer für eine demokratische Kirchenverfassung" von mir übersetzt wurden.

Jeschua und die Rabbis sprachen von der Herrschaft Gottes (basileia tou theou).

"Leider haben sich Christen häufig durch die übliche Übersetzung des Ausdrucks basileia tou theou im griechischen Neuen Testament (Jeschua sagte wahrscheinlich in hebräischer Sprache malkut shomaim) irreführen lassen. In den meisten Fällen wird der Ausdruck mit 'Reich Gottes' übersetzt, als ob Jeschua von einem Ort, einem Gebiet gesprochen hätte. Einige der Zeitgenossen Jeschuas unterlagen in der Tat demselben Missverständnis und wurden von ihm korrigiert: 'Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde, wann die basileia tou theou käme, gab er ihnen zur Antwort: Die basileia tou theou kommt nicht so, dass man es beobachten kann. Man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist sie!, oder: Da ist sie!; denn die basileia tou theou ist in eurem Inneren (entos hymon)' (Lk 17,20-21). Leider ist im Judentum mit dem malkut shomaim der Rabbis Ähnliches geschehen. Die authentische Bedeutung ist, dass die Herrschaft Gottes die Situation ist, in der alle Dinge gemäß ihrer Natur richtig geordnet sind; der Wille Gottes regiert."

Dazu merke ich an: εντος υμων (entos hymon) kann mit "innerhalb von euch" und mit "mitten unter euch" übersetzt werden. Die Übersetzung kann sich also auf den Einzelmenschen oder auf das Kollektiv beziehen.

"Bei einigen im späteren Buddhismus hat das Nirvāna die Bedeutung des Himmels angenommen, eines Ortes, wo man hingeht, um nach dem Tod glücklich zu leben. Mit dem Nirvāna ist also dasselbe geschehen wie mit der basileia tou theou und dem malkut shomaim: Es wurde verdinglicht und lokalisiert. In Wirklichkeit war das Nirvāna für Gautama sehr ähnlich der basileia  tou theou von Jeschua und dem malkut shomaim der Rabbis: ein Zustand der Seele (Psyche), in dem die Dinge richtig geordnet sind. Nirvāna bedeutet wörtlich 'ausgelöscht'. Was ist ausgelöscht? Alle falschen Selbste, die die meisten Männer und Frauen mit ihrem wahren, tiefen Selbst verwechseln. Nach Gautama ist das wahre Selbst so tief, dass er es als ein 'Nichtselbst', anatta, kennzeichnet, ein Nichtselbst in Bezug auf das, was wir normalerweise irrtümlich für unser Selbst halten. Diese Pseudoselbste werden im Nirvāna 'ausgelöscht', zusammen mit dem ganzen tanha, dem 'verzerrenden Verlangen', das die Quelle der Pseudoselbste ist. Was dann übrig bleibt, ist das authentische Selbst. Es ist im Frieden, in tiefem Frieden, weil es richtig geordnet ist in Übereinstimmung mit der Struktur der Wirklichkeit."

"Jeschua verwendete eine andere Sprache, übermittelte aber ziemlich die gleiche Botschaft, indem er authentischen Frieden (seinen eigenen) vom Pseudofrieden (dem der Welt) unterschied. 'Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch' (Joh 14,27). Als ein palästinensischer Jude hat Jesus nicht griechisch, sondern hebräisch und aramäisch gesprochen. So war das Wort, das er für Frieden verwendete, zweifellos 'Schalom', was viel mehr bedeutet als das bloße Aufhören äußerlicher Feindseligkeiten; es verweist auf eine innere rechte Ordnung aller Dinge, die sich positiv überall in der umgebenden Welt ausbreitet."

Nach dem Lexikon der östlichen Weisheitslehren ist Shānti (wörtlich: 'Friede') im Hinduismus der innere Friede, den man durch die spirituelle Erkenntnis erlangt, dass man nicht der sterbliche Körper ist, sondern unvergängliches Bewusstsein.

Und im Buddhismus: "Shānti wird in den Pali-Texten gewöhnlich als ein Synonym für Nirvāna, das Ziel der buddhistischen Praxis, verwendet. Meditation und andere buddhistische Praktiken können daher als der 'Pfad zum Frieden' gedacht werden. Nirvāna ist das Höchste an innerem Frieden und bedeutet wörtlich das vollständige Erlöschen des inneren Tumults." (Aus der Erklärung von Shānti auf www.wildmind.org, übersetzt von Werner Krotz.)

Bei Jeschua und bei Gautama ist es unsere Aufgabe, diesen Frieden in uns zu finden und dann in unsere Familien und Gemeinschaften hineinzutragen, bis er schließlich die ganze Erde erfasst. Wer zum Bodhisattva geworden ist, wer befreit ist, kann nicht anders, als den Impuls der Befreiung an andere weiterzugeben.

Ergänzung vom 5. Februar 2013:

Leonard Swidler spricht vom wahren Selbst, vom authentischen Selbst. Das ist nicht buddhistisch. Die Lehre vom Nicht-Ich, vom Nicht-Selbst oder von der Unpersönlichkeit "besagt, dass es weder innerhalb noch außerhalb der körperlichen und geistigen Daseinserscheinungen irgendetwas gibt, das man im höchsten Sinne als eine für sich bestehende unabhängige Ich-Wesenheit oder Persönlichkeit bezeichnen könnte. Es ist dies die Kernlehre des ganzen Buddhismus, ohne deren Verständnis eine wirkliche Kenntnis des Buddhismus schlechterdings unmöglich ist, die einzige wirklich spezifisch buddhistische Lehre, mit der das ganze buddhistische Lehrgebäude steht und fällt." (Aus: Nyānatiloka, Buddhistisches Wörterbuch, S. 24f.)

Daher heißt es in Visuddhi-Magga XVI:
"Das Leiden gibt es, doch kein Leidender ist da.
Die Taten gibt es, doch kein Täter findet sich.
Erlösung gibt es, doch nicht den erlösten Mann.
Den Pfad gibt es, doch keinen Wandrer sieht man da."
(Übersetzung von Nyānatiloka.)

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191. Ein schmerzhafter Übergang  -  1. August 2012

Vorgestern habe ich das Buch "Erd-Demokratie: Alternativen zur neoliberalen Globalisierung" von Vandana Shiva fertig gelesen. Dieses Buch beleuchtet den rücksichtslosen Imperialismus, der seit Jahrhunderten die menschliche Geschichte prägt. Ganz besonders durch die neoliberale Globalisierung, die seit 1991, als die Sowjetunion aufgelöst wurde, kein Gegengewicht mehr hat, werden alle nichtmenschlichen Spezies der Erde marginalisiert, und die Menschheit selbst wird zu einem großen Teil der Verelendung preisgegeben, wobei man die Krankheit als die Kur anpreist.

Gestern Abend sind wir mit dem Auto vom Wiener Raum nach Braunschweig gefahren, und ich habe die überfüllte Autobahn, die langen Reihen von Fernlastern, die vielen Verkaufshallen großer Konzerne in Autobahnnähe mit dem durch Vandana Shiva geschärften Blick gesehen. Was haben wir aus der Welt gemacht!

Das Buch beleuchtet mit großem Engagement die menschlichen Verbrechen, und vorgestern Nachmittag war ich von der Lektüre so erschöpft, dass ich auf einmal die Füße nicht mehr heben konnte und der Länge nach hinfiel, als ich unseren Gartenweg hinaufging, nachdem ich in den Briefkasten geschaut hatte. Ich drehte mich und konnte den Sturz mit der rechten Schulter abfedern, sodass außer dem heftigen Stoß einer Wegstufe gegen die rechte Schulter und geringfügigen Hautabschürfungen nichts passiert ist. Die Schulter wird allerdings noch ein paar Tage schmerzen.

Was wird mit der Erde und den Menschen geschehen? Gibt es noch einen Weg, der aus der Spirale, die zu Tod und Vernichtung führt, heraushilft?

Mein kleiner Unfall ist für mich ein Zeichen, dass wir nicht auf das Ende der menschlichen Geschichte zugehen, sondern dass es einen Übergang zu einer neuen, einsichtsvolleren Epoche der Geschichte geben wird. Doch dieser Übergang wird schmerzhaft sein.

Vieles, was in unserer Zeit geschieht, dient noch der Zerstörung und nicht der Erneuerung. Die Situation der Menschheit als Ganzes ist so verzweifelt, dass sich Fremdenhass und Ausgrenzung, ethnische und klassenspezifische Säuberung, bewaffnete Auseinandersetzungen und Fundamentalismus politischer, wirtschaftlicher und religiöser Art immer mehr ausbreiten. In dieser Situation können wir uns auf die Politiker und Wirtschaftsfachleute, die die Macht haben, nicht mehr verlassen, ebensowenig auf die Mainstream-Medien als Informationsquellen.

Vandana Shiva setzt auf die Erd-Demokratie, die von Basisbewegungen in gewaltloser, der Wahrheit verpflichteter Art und Weise herbeigeführt werden wird. Das Buch endet mit den Worten: "Imperialismus hat immer schon globale Reichweite angestrebt. Doch die sozialen Bewegungen haben heute planetarische Reichweite und eine planetarische Einschließlichkeit. Wir haben erst begonnen, unser Potenzial für Veränderung und Befreiung anzuzapfen. Dies ist nicht das Ende der Geschichte, sondern ein neuer Anfang."

Feedback von Gerhild Krotz:

Wenn ich das glauben könnte, wär's gut.

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190. Satyagraha und der Aufruf zum Ungehorsam  -  27. Juli 2012

Mohandas Karamchand Gandhi, genannt Mahatma Gandhi, hat gesagt: "Solange der Aberglaube weiterbesteht, dass die Menschen ungerechten Gesetzen gehorchen sollten, so lange wird Sklaverei existieren." (Zitiert nach: Vandana Shiva, "Erd-Demokratie: Alternativen zur neoliberalen Globalisierung", S. 150.)

Die Grundhaltung Gandhis ist Satyagraha, das beharrliche Festhalten an der Wahrheit. Nach Wikipedia beruht Satyagraha darauf, die Vernunft und das Gewissen des Gegners anzusprechen durch Gewaltlosigkeit (Ahimsa) und die Bereitschaft, Schmerz und Leiden auf sich zu nehmen.

"Mahatma Gandhi rief die Salz-Satyagraha ins Leben, um gegen die Salzgesetze und die Kolonialisierung des Salzes durch das britische Imperium zu protestieren." (Vandana Shiva, S. 150.)

"Gandhis Vision der Bewegungen Swadeshi (wirtschaftliche Unabhängigkeit), Swaraj (politische Selbstbestimmung), Satyagraha (das Festhalten an der Wahrheit) und Sarvodaya (Wohlfahrt für alle) regt uns an, lebendige Wirtschaftsformen und lebendige Demokratien aufzubauen." (Vandana Shiva, S. 149.)

Wenn durch die Weltbank,  den Internationalen Währungsfonds (IWF), die Welthandelsorganisation (WTO), das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT), das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS) und die Gesetze der USA und der EU die menschliche Freiheit immer weiter eingeschränkt und die menschliche Verelendung immer weiter vorangetrieben wird, so haben wir uns zu wehren, da ansonsten die Politiker in den Mitgliedsländern gehorsam die Gesetze der EU nachvollziehen.

Beispiele für erfolgreiche Bürgerbewegungen sind ATTAC und die daraus hervorgegangene Bewegung für eine Gemeinwohl-Ökonomie. ATTAC ist nach ihrer Website eine internationale Bewegung, die sich für eine demokratische und sozial gerechte Gestaltung der globalen Wirtschaft einsetzt. Die Bewegung für eine Gemeinwohl-Ökonomie versteht sich nach ihrer Website als Impulsgeber für Menschen, die sich an der Entwicklung einer sozial nachhaltigen Zukunft beteiligen.

Was in der Aufzählung der Bewegungen fehlt, ist die religiöse Selbstbestimmung, das Aufbauen lebendiger religiöser Formen und lebendiger demokratischer Kirchen. In diesem Zusammenhang erwähne ich den Aufruf zum Ungehorsam der österreichischen Pfarrer-Initiative vom 19. Juni 2011. Die Pfarrer-Initiative, die römisch-katholische Priester und Diakone als Mitglieder aufnimmt, ist eine lebendige und international erfolgreiche Basisbewegung auf religiösem Gebiet. In einer Anmerkung zu ihrem Aufruf betonen die Verfasser: "Der Ungehorsam gegenüber einzelnen geltenden strengen kirchlichen Regeln und Gesetzen ist bereits seit Jahren Teil unseres Lebens und Arbeitens als Seelsorger geworden."

Für sehr wichtig halte ich die Nichtbeachtung von Teilen des Katechismus der römisch-katholischen Kirche sowie von Teilen des  Codex des kanonischen Rechtes. Es darf nicht akzeptiert werden, dass die römisch-katholische Kirche über zwei Gesetzbücher - eines für den römischen Bereich (CIC) und eines für die unierten Ostkirchen (CCEO) - verfügt, dass der CIC keinen heutigen Rechtsstandards entspricht, dass der CIC die Trennung der Menschen in zwei Stände - Kleriker und Laien - festschreibt.

Wir wollen doch keine Sklaven von Menschen bleiben, die sich als die allein bevollmächtigten Stellvertreter Christi ausgeben, oder?

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189. Der Planet stirbt  -  22. Juli 2012

In der Zeitschrift brennstoff Nr. 28/Mai 2012 ist ein Interview mit dem Alternativen Nobelpreisträger Tony Clarke erschienen. Ich berichte nun von diesem Interview.

Alle Lebewesen sind vom Wasserkreislauf abhängig. Wasser verdunstet in die Atmosphäre. Es folgen Niederschläge, die im Boden versickern. Und es kommt wieder zur Verdunstung. Der Wasserkreislauf ist bereits massiv geschädigt. Denn durch den Ausbau unserer Straßen und Städte versiegeln wir zunehmend mehr Flächen. Das Regenwasser kommt über die Kanalisation nicht zurück in das Grundwasser, sondern es wird in die Flüsse und weiter in die Meere geleitet. Bis 2025 werden wir bereits ein Viertel der Trinkwassermenge, die Anfang des Jahrhunderts noch im globalen Wasserkreislauf vorhanden war, verloren haben. Und wenn sich der Trend fortsetzt, wird am Ende des 21. Jahrhunderts  ein großer Teil des Trinkwassers aus dem hydrologischen Kreislauf verloren sein.

Zur Zeit verdoppelt sich der globale Wasserbedarf alle zwanzig Jahre. Das liegt nicht nur an der Zunahme der Weltbevölkerung. "Es liegt vielmehr primär an unserem Bedarf an Konsumgütern in unserer industriellen Wachstumsgesellschaft, für deren Herstellung enorme Mengen an Wasser verbraucht werden." Für die Produktion eines einzigen Mittelklassewagens verschwenden wir 275.000 Liter Wasser. Wir entnehmen dem Kreislauf für unsere angeblichen Bedürfnisse viel zu viel Wasser. Wir müssen prüfen, wie wir die Anzahl der Produkte und Dienstleistungen verringern können.

Der globale Süden hat ganz andere Probleme mit dem Wasserkreislauf als der Norden. Mittlerweile hat ein Drittel der Menschheit keinen Zugang zu adäquaten Trinkwasserquellen. Wenn sich der Trend fortsetzt, werden spätestens 2025 zwei Drittel der Weltbevölkerung mit Wasserknappheit konfrontiert sein. "Diese Ungleichheiten im Zugang zu frischem Wasser werden Wanderungsbewegungen auslösen und andere soziale Konsequenzen haben [...] Das wird dann auch den globalen Norden betreffen."

Die wasserreichen Alpenländer wie Österreich sind auch dadurch betroffen, dass die Gletscher infolge des Klimawandels immer weiter abschmelzen. Und wenn die Gletscher abgeschmolzen sind, dann haben die Flüsse keine Ressourcen mehr, aus denen sie sich speisen. Das betrifft in dramatischer Weise die erneuerbaren Trinkwasserquellen in solchen Regionen wie den Alpen. In der Andenregion in Südamerika sind Länder wie Bolivien oder Ecuador bereits heute massiv von den Folgen abschmelzender Gletscher bedroht.

Angesichts solcher Szenarien brauchen wir in vielen Menschen der globalen Zivilgesellschaft die Vision und die Energie, um einen Wandel lokal, regional und national anzuschieben. Und wir brauchen neue, globale Institutionen, die den Wandel fördern, der ein neues ökonomisches System möglich macht.

Neben dem Interview mit Tony Clarke ist das folgende Zitat abgedruckt:

"Fast alle befinden sich in einem Zustand des permanenten Leugnens. Tief in unserem Inneren wissen wir, dass der Planet stirbt, aber niemand will darüber reden." (Kalle Lasn, "Culture Jamming".)

Der Planet stirbt nicht, doch unsere Lebensmöglichkeiten auf der Erde werden zugrunde gerichtet. Wenn viele zusammenhelfen, können wir das vielleicht noch verhindern.

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188. Metánoia  -  15. Juli 2012

Einem Artikel von Ursula Baatz, der in der Zeitschrift brennstoff Nr. 26/November 2011 erschienen ist, entnehme ich folgende inspirierende Erklärung:

Metánoia (μετάνοια) ist eines der charakteristischsten Worte des Zweiten Bundesbuchs. Mit "Tut Buße" wird es fehlübersetzt. Es verbindet noein (νοεν), „denken“, mit der Vorsilbe meta (μετά). Es geht darum, "eine Umwendung des Geistes vorzunehmen, eine andere Sicht zu entwickeln, andere Begriffe und Kategorien zu finden, einen anderen Standpunkt, eine andere Perspektive einzunehmen", eben umzudenken. "Die Vorsilbe meta ist vieldeutig - jedenfalls zeigt sie eine Bewegung im Raum an, eine Richtung, die von bekannten Einschränkungen weggeht in einen offeneren Bereich".

Und doch ist der Bußritus fixer Bestandteil römisch-katholischer und evangelischer Gottesdienste. Man bekennt, dass man Gutes unterlassen und Böses getan hat, dass man schuldig geworden ist. Man beteuert das in gesprochenen und gesungenen Texten. Man sagt: "Herr, erbarme dich."

Es geht aber darum, dass sich die Menschen aufrichten, dass sie selbstständig schauen und denken, dass sie sich zusammenschließen, dass sie neue Wege gehen, um die Zerstörung der Erde zu verhindern und die um sich greifenden bewaffneten Konflikte zu beenden.

Wir leben in der EU in einem geborgten Frieden, der nur durch ungerechte wirtschaftliche und fremden-politische Maßnahmen noch aufrechterhalten werden kann.

Metánoia in der Politik, in der Wirtschaft und in der Religion heißt, neue Wege zu sehen und zu gehen. Es heißt aber auch, keine Feindbilder aufzubauen, sondern einander ohne Berührungsängste anzuschauen und zu begegnen. Es heißt, einander das Leben zu ermöglichen.

In meinen Büchern und Bausteinen und natürlich in meinem persönlichen Leben eröffne ich einen Raum für dementsprechendes Schauen, Denken, Fühlen und Leben.

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187. Ein dämonisches Lachen  -  11. Juli 2012

In letzter Zeit hatte ich einige Male Mühe bei Gesprächen mit Freunden über Fragen des Christentums und des Buddhismus. Ich hatte das Gefühl, wir könnten uns nicht verständigen und es wäre letzten Endes für mich verletzend.

Gestern Abend vor dem Einschlafen hörte ich auf einmal ein dämonisches Lachen. Damit hatte sich der Dämon verraten, der es fertiggebracht hat, sich auf meine Wahrnehmung von anderen Menschen zu setzen und Unfrieden zu säen.

Diesem Dämon befehle ich im Namen Jesu, zu weichen. Und ich werde sehr aufmerksam sein, um es nicht zu übersehen, falls er wiederzukommen versucht.

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186. Zusammenschau ohne Grenzen  -  10. Juli 2012

Wenn ich übersinnlich auf Jesus schaue, kann ich etwas sehen. In meinem Buch "Vom Tod zum Leben - Ein Buch für das Leben und den Tod aller Wesen" habe ich das aufgeschrieben.

Heute, nach einem Gespräch über den Buddhismus mit einem Freund, habe ich mir gedacht: Es muss doch auch möglich sein, auf Siddhārtha, den Begründer des Buddhismus, zu schauen. Und schon war etwas da, so massiv, dass ich mich fragte: Lässt sich das in Worten sagen?

Für mich kommt es nun darauf an, von dieser Erfahrung her auf alles zu schauen. Mit den Augen der Jesuserfahrung, mit den Augen der Siddhārthaerfahrung und mit den Augen der indigenen Religiosität vielfältig und multidimensional und dynamisch zu schauen und danach zu leben, sodass Heil entstehen und wachsen und sich vermehren kann.

Ergänzung vom 9. August 2012:

Wie ich in dem Baustein 127. Aspekte der Weihe berichtet habe, habe ich mich dem Herzen Jesu geweiht, dem Herzen Marias, seiner Gefährtin, dem Herzen Marias, seiner Mutter, dem Herzen Gerhilds, meiner Frau, dem Herzen aller Wesen und insbesondere dem Herzen der Erde und dem Herzen des Kosmos. Meine Weihe wiederhole ich Tag für Tag beim Gebet.

Ab heute füge ich die Weihe an das Herz Siddhārthas hinzu.

Schon vor einiger Zeit habe ich damit begonnen, täglich 56. meine neuen Bodhisattva-Gelübde zu wiederholen. Dabei lasse ich beim dritten Gelübde den Hinweis auf das Matthäusevangelium weg.

Ergänzung vom 25. August 2012:

Bei der Weihe an das Herz Siddhārthas kommen mir so viele Störungen aus der buddhistischen Tradition herein, dass ich die tägliche Wiederholung dieser Weihe lieber wieder weglasse.

Ergänzung vom 4. November 2012:

Dem Herzen aller Wesen habe ich mich geweiht. Also auch dem Herzen des Menschen, der unfassbar böse gehandelt hat. Denn kein Mensch hat einen bösen inneren Kern. Und ausgerechnet die Weihe an das Herz Siddhārthas macht mir Schwierigkeiten? Bei Siddhārtha irritieren mich die Störungen aus der buddhistischen Tradition, und bei Jesus irritieren mich die Störungen aus der christlichen Tradition nicht?

Ich nehme also die Weihe an das Herz Siddhārthas wieder auf.

Im Zendo der Existential-psychologischen Bildungs- und Begegnungsstätte in Todtmoos-Rütte habe ich im Dezember 1981 die folgenden Worte abgeschrieben:

„Leben und Tod – das wichtigste Anliegen, um das es uns geht. Die Zeit darf man nicht verschwenden. Welches Glück, als Menschen geboren zu sein – aber schwer ist es, Buddhas Lehre wahrhaftig zu vernehmen.“

Ergänzung vom 9. April 2013:

Ich habe mich dem Herzen Marias, der Gefährtin Jesu, geweiht. Vor einiger Zeit ist nun folgende Frage in mir aufgetaucht: Wäre es nicht gut, wenn ich mich auch dem Herzen Yashodharās, der Ehefrau Siddhārthas, weihen würde?

Siddhārtha und seine Kusine Yashodharā heirateten in Kapilavastu, als beide 16 Jahre alt waren. Als sie 29 Jahre alt waren, kurz nach der Geburt ihres Sohnes Rāhula, zog Siddhārtha in die Hauslosigkeit.

Als Siddhārtha später begann, Mönche um sich zu sammeln und öffentlich zu lehren, verfolgte Yashodharā nach der Überlieferung alle Neuigkeiten über ihn und begann, es ihm gleich zu tun. Als er Kapilavastu besuchte, warf sie sich ihm zu Füßen, umfasste seine Fersen und weinte.

Als der Vater Siddhārthas gestorben war, trat Siddhārthas Ziehmutter Mahāprajāpatī mit einer Schar Frauen, unter denen auch Yashodharā war, an ihn heran und bat ihn dreimal, nun auch den Frauen den Zugang zum Ordensleben zu ermöglichen. Er lehnte es jedesmal ab. Erst auf die Bitte seines Schülers Ananda gründete er den Frauenorden, auferlegte allerdings den Frauen acht Regeln, die sie den Männern unterordneten. Möglicherweise sind die unterordnenden Regeln jedoch nicht von Siddhārtha selbst, sondern von einer späteren Generation von männlichen Lehrern.

Mit der Gründung des Frauenordens war die Anerkennung verbunden, dass Frauen ebenso wie Männer die vollkommene Befreiung erreichen können.

Jesus gründete im Gegensatz zu Siddhārtha keine Ordensgemeinschaften. Eine Gefährtin Jesu und eine Gefährtin Siddhārthas - das sind daher ganz verschiedene Lebenswege. Wie dem auch sei - seit einiger Zeit weihe ich mich täglich auch dem Herzen Yashodharās.

Ergänzung vom 14. April 2013:

Ich habe mich dem Herzen Marias, der Mutter Jesu, geweiht. Ich beginne mich nun auch dem Herzen Māyādevis, der Mutter Siddhārthas, zu weihen. Von ihr wird berichtet, dass sie sieben Tage nach seiner Geburt starb.

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185. Wie ich meine Bücher schreibe  -  2. Juli 2012

Als mein Buch "Jesus für alle - Die Abenteuer Gottes" gerade veröffentlicht war, las sich ein Freund in das Buch hinein. Dann fragte er mich: "Was willst du mit diesem Buch?"

Als mein Buch "Vom Tod zum Leben - Ein Buch für das Leben und den Tod aller Wesen" gerade veröffentlicht war, las ein anderer Freund den größten Teil des Buches. Dann stellte er fest: "Ich habe den roten Faden noch nicht gefunden."

Bei allem, was ich schreibe, reagiere ich auf innere Anrufe. Vor allem bei meinen Sachbüchern fällt daher auf, dass ich keinen durchgehenden Plan habe, dass kein roter Faden zu finden ist. Es entsteht ein Mosaik. Es werden die Bilder eines Kaleidoskops entwickelt.

Das, was ich hervorbringe, sind Steine des Weltenmosaiks, Bilder des Weltenkaleidoskops. Vertiefen wir uns in das Weltenmosaik und in die Drehungen des Weltenkaleidoskops. Tragen wir unsere Steine, unsere Bilder dazu bei, zu unserer Reinigung, Heilung und Heiligung und zur Reinigung, Heilung und Heiligung der Erde.

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184. Heilen im Namen Jesu  -  30. Juni 2012

Vor allem Menschen, die chronische Krankheiten haben und aus schulmedizinischer Sicht austherapiert sind, gehen zu Heilern, in der Hoffnung, dass die ihnen helfen können.

Wolfgang Bittscheidt vereinigt drei Lebensbilder in seiner Person. Er ist Facharzt für Orthopädie. Er war 1997 an einer lebensbedrohlichen Hepatitis erkrankt und austherapiert. Er wandte sich an geistige Heiler, gesundete und wurde selbst zu einem Heiler. Heute führt er zusammen mit Teresa Schuhl eine Praxis für Energetische Medizin. Er hat eine Ärzteakademie gegründet, die die Grundlagen geistigen Heilens ausschließlich oder überwiegend an bisher schulmedizinisch arbeitende Ärzte und Psychotherapeuten vermittelt. Außerdem hat er das Buch "Geistiges Heilen. Energetische Heilkunst - Aus meiner Praxis als Arzt und Heiler" geschrieben. Ich zitiere einige Sätze aus diesem Buch:

"Heilen kann, wer sich in Resonanz zur göttlichen Liebe befindet." (S. 183.)

"Was heilt, ist Gottes Heilkraft, mit deren Anwendung Jesus Heiler beauftragt." (S. 183.)

"Worauf es ankommt: auf die absolute Sicherheit, mit der Liebe Gottes zu heilen und die Patienten für diese Liebe zu öffnen." (S. 21.)

Der historische Jesus hat viele Menschen geheilt. Er konnte nicht immer heilen, vor allem dann nicht, wenn man ihm misstraute oder gar meinte, er sei mit dem Bösen im Bund. Jesus hat zweimal Jüngerinnen und Jünger ausgesandt, um von der Gegenwart Gottes zu erzählen und um zu heilen. Das fasse ich so auf, dass er auch uns sendet. Jesus hat Kranken - nicht jedoch Besessenen - die Hände aufgelegt.

Jeder Mensch hat heilende Fähigkeiten in den Händen, in den Handflächen. Das kommt von den Handchakren, die mitten auf den Handinnenflächen liegen. Über die Handchakren treten heilende Kräfte nach außen. Ein priesterlicher Mensch, der segnet, indem er die Handflächen der Gemeinde zuwendet, lässt Segen und Heilung zu den Leuten fließen. Jemand die Hand geben bedeutet eine tiefe Begegnung. Es gibt Menschen, die reichen einem beim Händedruck nur die Fingerspitzen. Ich bedauere das immer sehr.

Heilung betrifft alle Dimensionen des Menschen zugleich, die soziale, körperliche, psychische und spirituelle. Wenn ich für Menschen bete, bitte ich seit Langem um ihre Reinigung, Heilung und Heiligung.

Das Deutsche Institut für Ärztliche Mission (Difäm) hat ein Studienheft mit dem Titel "Die heilende Dimension des Glaubens - Antworten auf eine wachsende Sehnsucht" herausgegeben. Ein Dokument der anglikanischen Kirche, das in diesem Heft zitiert wird, weist zu Recht darauf hin, dass zur Heilung auch die Befreiung gehört, und definiert:

"• Heilung – verstanden als ein offener Prozess hin zu Gesundheit und Ganzheit.
• Befreiungsdienst – verstanden als eine Befreiung von bösen spirituellen oder religiösen Mächten oder Einflüssen, die eine Person in ihrer vollen Menschlichkeit unterdrücken und verkümmern lassen und sie daran hindern, ihre Antwort auf Gottes rettende und heilende Gnade zu geben." (Dietrich Werner, ebd. S. 33, übersetzt aus "A Time to Heal".)

In der reformierten Kirche der Schweiz gibt es Segnungs- und Salbungsgottesdienste, die den Impuls der anglikanischen Kirche aufnehmen. Ein Dokument der Liturgiekommission der reformierten Kirche der Schweiz beschreibt den Ablauf:

"Wer die Salbung empfangen möchte, setzt sich im Lauf der Feier im Chor der Kirche auf einen Stuhl, wo je drei Personen aus der Kirchgemeinde bereit stehen. Eine der drei Personen salbt die Stirne und die beiden Handflächen, welche der Gast ihr entgegenstreckt, mit einem wohlriechenden Öl. Dazu spricht sie die dreifachen Worte: 'Es segne dich Gott, der Vater; es heile dich Gott, der Sohn; es erleuchte dich Gott, der Heilige Geist.' Die beiden anderen Personen legen während dieser Zeit dem Gast still ihre Hände auf je eine Schulter. Ein Segenswort für den Gast schließt die Salbung ab.
Die Salbung von Stirn und Händen geschieht – dem dreifachen Wort entsprechend – dreimal mit einer leicht kreisenden Bewegung oder mit dem Kreuzzeichen.
Zum Segenswort (einem Psalm- oder Liedvers) nach der Salbung fügt die salbende Person die Hände der gesalbten zusammen. Währenddessen stehen die anderen zwei Personen links und rechts neben der sitzenden Person, legen ihr die Hände auf je eine Schulter und beten still mit."

Einen solchen Gottesdienst haben Gerhild, meine Frau, und ich vor einigen Jahren in der Nähe von Bern miterlebt. Es gab dabei auch die Möglichkeit des Austauschs mit der salbenden Person. Nach der Salbung empfingen alle, die wollten, die Kommunion.

Zum Abschluss weise ich auf die umfassende Bedeutung von Heilung hin. Es geht um die Heilung einzelner Menschen, um die Heilung von Gemeinschaften, um die Heilung von verletzten Teilen der Natur, um die Heilung der Erde als Ganzes. Für die Bestrebungen zur Heilung der Natur bringe ich nun ein Beispiel.

In Tamera im Süden Portugals ist eine internationale Ausbildungs- und Experimentierstätte für den Aufbau von Friedensdörfern und Heilungsbiotopen weltweit entstanden. Hier wurden Impulse von Sepp Holzer aufgenommen, dem mittlerweile weltweit bekannten und agierenden Bergbauern aus dem österreichischen Lungau.

Falsches Wassermanagement ist ein zentraler Faktor der weltweiten ökologischen Zerstörung und der sogenannten Naturkatastrophen unserer Zeit wie Überschwemmungen, Flächenbrände und Wüstenbildung. Durch die Kooperation mit Sepp Holzer haben die Menschen in Tamera ein alternatives Wassermanagement kennengelernt und angewendet, mit dem eine Landschaft und ihr Wasserhaushalt geheilt werden kann.

Ich wünsche mir, dass sich möglichst viele Leute an der dringend erforderlichen Heilung der Beziehungen zwischen Menschen und zwischen Völkern und an der Heilung der Beziehungen der Menschen zur Erde beteiligen, im Namen Jesu oder doch mit seiner - vielleicht nicht einmal wahrgenommenen - Gegenwart.

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183. Bereschit  -  21. Juni 2012

Das hebräische Wort Bereschit (‏בראשית) ist das erste Wort des ersten Buches der Tora. Es wird üblicherweise mit "Im Anfang" oder "Am Anfang" übersetzt. In der Bibel in gerechter Sprache wird jedoch die wörtliche Bedeutung "Durch einen Anfang" hervorgehoben.

"Im Anfang schuf Gott den Himmel und die Erde." (1 Mose 1,1 in der Menge-Bibel.)

"Durch einen Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen." (1 Mose 1,1 in der Bibel in gerechter Sprache.)

Die Hervorhebung in der Bibel in gerechter Sprache hat bei mir ein starkes Echo gefunden. Denn hier wird ausgedrückt, dass Gott einen umfassenden Anfang setzt: einen Anfang von Himmel und Erde, also von allen Bereichen der Schöpfung; einen Anfang von Raum und Zeit. Auch die Zeit beginnt jetzt, die vielfältigen Zeiten beginnen jetzt, ein "Vorher" gibt es nicht.

"Meine Zeit steht in deinen Händen", sagt ein Kirchenlied.

Meine Zeit ist ein großes Geschenk. Meine Zeiten sind ein großes Geschenk. Wenn alle meine Zeiten abgelaufen sind, werde ich über viele Zeiten frei verfügen dürfen.

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182. Gott ist Geist?  -  13. Juni 2012

Hierzu gibt es zwei Bibelstellen:

"Gott ist Geist, und die ihn anbeten, müssen ihn im Geist und in Wahrheit anbeten." (Joh 4,24 in der Menge-Bibel.)

"Gott ist Geistkraft, und die Gott anbeten, müssen sie in Geistkraft und Wahrheit anbeten." (Joh 4,24 in der Bibel in gerechter Sprache.)

"Der Herr aber ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit." (2 Kor 3,17 in der Menge-Bibel.)

"Der Ewige ist Geistkraft, und wo die Geistkraft des Ewigen ist, da ist Freiheit." (2 Kor 3,17 in der Bibel in gerechter Sprache.)

Die Ausdrucksweise der Bibel in gerechter Sprache ist für mich eine Bereicherung. Deswegen stelle ich die beiden Übersetzungen einander gegenüber.

Wie sehe ich nun die Titelfrage dieses Bausteins - Gott ist Geist?

Wenn wir Gott als Geist bestimmen wollen, sind wir da nicht im Dualismus von Geist und Materie gefangen? Ich gehe lieber davon aus, dass Geist und Materie einander durchwirken, dass sie nicht voneinander zu trennen sind, dass der Geist die andere Seite der Materie ist und die Materie die andere Seite des Geistes.

Wenn die Bibel sagt "Gott ist Geist", meint sie da nicht eigentlich "Gott ist das existenzgebende, das lebendigmachende Prinzip"?

Für mich ist Gott das ins Dasein rufende und alle Möglichkeiten gebende Prinzip des Kosmos und aller kosmischen Wesen, zu denen der Mensch gehört. Dieses Rufen und Geben begleitet uns über unseren Tod hinaus, begleitet den Kosmos und alle Wesen über das Ende des Kosmos hinaus. Dabei kommt es nicht darauf an, das Wort "Gott" zu verwenden.

Der Buddhismus geht in dieser Frage seinen eigenen Weg. "Von einem Gott, der Person, Schöpfer, Vater, Ewiger, Liebe ist, ist beim Buddha keine Rede. Wenn der Buddha nach Gott gefragt wurde, antwortete er ausweichend, wie z.B. 'Ich will darauf keine Antwort geben, weil ich nichts Sicheres darüber weiß und es auch für den Erlösungsweg der Menschen unbedeutend ist.'" (Aus: "Gott im Buddhismus". Die Antwort des Buddha ist nach dem Pali-Kanon zitiert.)

Für mich ist Gott auf alles bezogen, was ist. Daher kann ich ihn oder sie ansprechen und sagen: "Mein Gott". Daher kann jede Stubenfliege "sagen": "Mein Gott".

Für mich ist Gott keine Person, wie auch ich selbst keine Person bin. In dieser Hinsicht fühle ich mich dem Buddhismus nahe.

Für mich ist Gott keine Trinität. (Siehe auch: 151. Gott ist die Leere und die Fülle; 141. Wer oder was ist mein Grund?.)

Für mich ist Gott Liebe.

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181. Nachtasyl  -  5. Juni 2012

Das Theater zum Fürchten (TzF) spielt derzeit in Wien "Nachtasyl" von Maxim Gorki. Der ursprüngliche russische Titel lautet "Am Boden". In der Bearbeitung von Babett Arens zeigt das Stück in ungewöhnlicher Dichte das Nebeneinander und Miteinander von gesellschaftlichen Randgestalten und der Quartiergeberfamilie in einem abgewohnten Asyl. Maxim Gorki lässt verkrachte Kreaturen und kriminelle Existenzen über Wahrheit und Lüge, über den Sinn des Lebens philosophieren. Ein alter Mann namens Luka kommt wie ein Pilger bei ihnen vorbei. Auf Satin wirkt er "wie Säure auf eine rostige Münze". Nach seinem Weggang sagt Satin:

"Der Alte ist kein Lügner. Überhaupt was heißt Wahrheit? Der Mensch ist die Wahrheit."

"Wenn einer schwach ist oder wenn einer andere ausbeutet, kann er ja ohne die Lüge gar nicht leben. Aber wer sein eigener Herr ist und nicht auf Kosten eines anderen lebt, der braucht keine Lüge. Die Lüge ist die Religion der Sklaven und der Mächtigen. Die Wahrheit ist der Gott des freien Menschen."

"Er betet! Großartig! Der Mensch kann glauben oder nicht … das ist seine Sache. Man muss den Menschen achten! Er braucht kein Mitleid, das erniedrigt ihn. Er braucht Achtung."

Das ist auch meine Meinung. Der Mensch braucht Achtung in Freiheit.

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180. Der Hund hat Buddhanatur  -  22. Mai 2012

Bubu ist tot.

Als sie spürte, dass es so weit war, ging sie zum untersten Teil des Gartens und legte sich mit dem Rücken an den Zaun. Dann schlief sie ganz friedlich ein.

Als wir sie fanden, war sie noch nicht lange tot. Ich setzte mich zu ihr, um von ihr Abschied zu nehmen, und streichelte sie. Den Kopfbereich hatte sie bereits verlassen. Im Bereich des Herzens spürte ich noch ihre starke Anwesenheit. Ihr Herz hatte in der letzten Zeit besonders viel Liebe gebraucht und gegeben. Im Bereich des Unterleibs spürte ich ihre schwere Krankheit und ihre Schmerzen, die sie gelassen ertragen hatte. Beim Spazierengehen in den letzten Tagen hatte sie trotz allem den Schwanz immer oben gehabt.

Sie hat ihr großes Leiden souverän ertragen und ist souverän gestorben und mit dem All eins geworden, dem sie angehört wie du und ich. Ich weiß nicht, ob ich die Größe hätte, schwerste Krankheit und den darauf folgenden Tod so zu meistern wie sie.

Als ich mich von ihr verabschiedete, legte ich die Hände aneinander, verneigte mich und sagte: "Ich verneige mich vor dem Buddha in dir."

So ein Wesen ist um nichts weniger als ein Mensch.

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179. Jeder Mensch ist von Natur aus Muslim  -  12. Mai 2012

Es gibt einen Hadith (eine Überlieferung über den Propheten Muhammad), der besagt: "Jeder Mensch ist von Natur aus Muslim." Als ich diesen Hadith zum ersten Mal sah, dachte ich spontan: "Das passt auf mich, ich bin ein Muslim, denn Islam bedeutet einfach die totale Hingabe an Gott."

Vielleicht finde ich einmal Zeit, die vielen Stellen im Qur'an, die über Jesus und Maria sprechen, abzuwandeln, im Sinn einer totalen Nachfolge Jesu. Wenn diese Abwandlungen undogmatisch erfolgen, können sie vermutlich von Muslimen, die Muhammad undogmatisch nachfolgen, wohlwollend aufgenommen werden.

Auf www.mykath.de habe ich eine wunderbare Erklärung dieser Zusammenhänge gefunden, von Ennasus. Ich zitiere einen Ausschnitt davon:

"Wenn Muslime sagen: Jeder Mensch ist von Natur aus Muslim, kann mich das erschrecken und ich kann mich vereinnahmt fühlen. Wenn ich aber weiß, dass die Grundintention des Islam ist zu sagen: Der Mensch und die Welt sind auf Gott hin ausgerichtet, alles ist ein Zeigen auf Gott, die Wurzel des Wortes ist: ShaLoM, Frieden - Islam ist dann der Akt des Hingebens an diesen Frieden - und Muslim das Partizip dazu: einer, der sich an Gott hingeben will - und diese Hingabe ist das, was die Welt in ihrem Innersten will, und ein Muslim ist einer, der das mit seinem Leben bezeugen will - dann habe ich gar keine Probleme damit, mich auch selbst als Muslima zu bezeichnen."

"Jesus wäre, wenn man so denkt, dass Menschsein sich in der Hingabe verwirklicht, der größte Muslim. Und das muss man überhaupt nicht als Vereinnahmung verstehen, sondern als Ausdruck dessen, dass es im Innersten der Religionen immer um das Gleiche geht und wir einfach verschiedene Sprachen dafür gefunden haben."

"Der interreligiöse Dialog und die Zuversicht, dass Verständigung möglich ist, weil es im Letzten immer um dieselbe Wirklichkeit geht und wir als Menschen, die wir alle sind, auch alle innerhalb dieser selben Wirklichkeit leben, ist für mich Auftrag der Stunde. Es geht ums Übersetzen - und in der Folge dann auch um die unterschiedlichen Schlüsse, die Menschen aus dieser gemeinsamen Grundannahme und Grunderfahrung ziehen."

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178. Die Jüngerin, die Jesus liebte  -  5. Mai 2012

Nur im Johannesevangelium finden wir die Formulierung "der Jünger, den Jesus liebte". Nach Rudolf Schnackenburg war er mit Sicherheit eine historische Person: ein Jünger Jesu, der beim letzten Abendmahl dabei war, aber nicht zum Kreis der Zwölf gehörte.

Beim Lesen des Reports "Jesus und der Da Vinci Code" von Walter Hain wurde ich daran erinnert, dass Leonardo da Vinci in seinem Bild "Das Abendmahl" ("Cenacolo") den rechts neben Jesus sitzenden "Jünger, den Jesus liebte" mit weiblich anmutenden Gesichtszügen gemalt hat und dass die "Felsgrottenmadonna", die Leonardo ungefähr zehn Jahre vorher gemalt hatte, eine frappante Ähnlichkeit mit diesem Jünger aufweist.

Im Roman von Dan Brown wird behauptet, dieser "Jünger, den Jesus liebte" sei in Wirklichkeit eine Frau gewesen, nämlich Maria von Magdala. Und wenn man in einer Suchmaschine den Suchbegriff "Die Jüngerin, die Jesus liebte" eingibt, bekommt man ausschließlich Ergebnisse zu Maria von Magdala.

Ein Bild, das 1.500 Jahre nach Jesu Zeit gemalt worden ist, liefert natürlich keinen historischen Beweis. Wir können nicht wirklich sagen, wer beim letzten Abendmahl vor seinem Tod an Jesu rechter Seite war. Auch das Johannesevangelium ist nicht in jedem Detail historisch zu verstehen. Der Begriff "der Jünger, den Jesus liebte" kommt dort fünfmal vor: in Joh 13,23; 19,26; 20,2; 21,7; 21,20. Was würde es bedeuten, wenn "der Jünger, den Jesus liebte" an diesen fünf Stellen eine Jüngerin gewesen wäre?

Sie wäre wohl beim letzten Abendmahl dabei gewesen. (Joh 13,23.)
Wenn sie unter dem Kreuz gewesen wäre, wäre sie wohl Maria von Magdala. (Joh 19,26.)
Wenn sie mit Petrus zusammen zum leeren Grab gelaufen wäre, wäre sie nicht Maria von Magdala. (Joh 20,2.)
Wenn sie dabei gewesen wäre, als Jesus den Jüngern nach dem nächtlichen Fischfang erschien, wäre sie eine Fischerin. (Joh 21,7.20.) Zur Zeit Jesu gab es Fischerinnen, doch erhielten sie höchstens die Hälfte eines Männerlohnes.

Die Frage nach einer kongenialen Gefährtin Jesu geht über die Frage nach einer Jüngerin, die Jesus liebte, hinaus. (Siehe: 167. Wer war die Gefährtin Jesu?.)

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177. Maria mit dem Kinde lieb  -  2. Mai 2012

Bei unserer gestrigen Pfarrwallfahrt besuchten Gerhild, meine Frau, und ich auch den Marienwallfahrtsort Loretto im Burgenland. Über dem Eingang zum Kirchhof befindet sich eine Steinskulptur. Sie zeigt eine junge Frau mit langem Haar. Die Frau trägt ein stark tailliertes Kleid mit Blumenranken. Auf dem Kopf trägt sie eine Krone. Auf ihrem linken Arm sitzt ein zwei- bis dreijähriger Knabe mit langem Haar. Auch er trägt eine Krone. Die rechte Hand hat er erhoben. In der linken Hand hält er eine Kugel. Die Skulptur zeigt Maria mit dem Jesuskind. Aber stellen wir uns einmal jemand vor, der keine Ahnung von der Tradition der Marienverehrung hat. Was würde er sehen? Eine Königin, die den Kronprinzen trägt. Die Kugel könnte er als Zeichen dafür auffassen, dass das kleine Kind schon die Herrschaft innehat. Wie ist das möglich? Ist etwa der Vater schon gestorben?

Maria mit dem Kind wird vom 12. Jahrhundert an als die Madonna verehrt. Die beiden Kronen bedeuten, dass Maria so wie Jesus vollendet ist, dass sie beide in die unmittelbare Nähe Gottes, des Vaters, gerückt sind und die entsprechende Strahlkraft und Wirkmacht entfalten. Wenn Jesus in solchen Darstellungen von Maria als Kind gehalten wird, so drückt das aus, dass Maria ihn immerzu auf die Erde bringt. Es drückt nicht aus, dass der auferstandene und kosmische Jesus das Weltall zur Vollendung führt. Es drückt nicht die Selbstständigkeit und Freiheit der Menschen aus, die Jesus in seiner Ganzheit lieben und nicht nur als Kind.

Aber kommt es nicht gerade auf die Entfaltung der eigenen Strahlkraft und Wirkmacht in der Nachfolge Jesu an? Bei aller Liebe zu Maria sollen wir doch nicht ihre unmündigen Kinder bleiben.

Ergänzung von Gerhild Krotz:

Maria hält ihren Sohn im Arm. Man spürt noch nichts von seinem Leiden und seiner Auferstehung, von seiner kosmischen Realität. Maria bringt Jesus immerzu auf die Erde, das heißt, sie bringt Gottes Liebe auf die Erde. Maria hält auch mich in ihrem Arm. Sie lässt mir Freiheit, ohne dass sie mich einschränkt. Ich fühle mich nicht als ihr unmündiges Kind.

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176. Singt halleluja - weil es brennt der Huat  -  19. April 2012

Gerhild, meine Frau, und ich waren gestern im Wiener Theater Akzent. Birgit Denk und die Novaks gaben unter dem Titel "Ich wünsch mir zum Geburtstag einen Vorderzahn" Kabarettlieder der 50er-Jahre zum Besten, noch immer aktuelle Lieder von Georg Kreisler, Cissy Kraner, Gerhard Bronner und vielen anderen, in neuer Instrumentierung und witzigen Arrangements.

Besonders ein Lied, das ursprünglich von Kurt Sowinetz gesungen wurde, lässt mich nicht los, genauer gesagt der Refrain:
          Singt halleluja, halleluja, singt halleluja, halleluja.
          Singt halleluja, halleluja, singt halleluja, weil es brennt der Huat.
          (Hier zu hören: Kurt Sowinetz - Halleluja, der Huat brennt.)

Dieser Refrain ist hochaktuell. Denn wo brennt nicht der Hut in Politik, Wirtschaft, Umwelt und Religion? Ist es dann zynisch, halleluja zu singen, Gott zu preisen? Oder steckt nicht doch das Verlangen dahinter, dass der Hut noch gelöscht werden kann?

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175. Die kosmische Messe  -  17. April 2012

"Als Teilhard de Chardin sich auf einer Expedition in der Wüste befand und als Priester die Messe feiern sollte, doch weder Kelch, noch Brot, noch Wein hatte, da sich das in den Tiefen Asiens, in der Mongolei zutrug, stieg er vor Sonnenaufgang auf einen der kahlen Felsen und beobachtete, wie sich das Leben regt, wie das Licht über den Horizont steigt, wie die Wüste zum Leben erwacht, die Mondsichel verblasst und die Sonne aufsteigt. Er erlebte diese Geschehnisse als kosmische Liturgie. Wie die Heiligen Gaben wurde die Sonne erhoben und so spürte er, was diese Heiligen Gaben sind. Denn die ganze Schöpfung – Wind, Berge, Lebewesen - wird zum Leib Gottes." (Aus: Wolfgang Schmidinger, Hg., "Alexander Men - Gespräche über Glaube und Kirche", S. 103.)

Vorgestern war der Sonntag nach Ostern, Weißer Sonntag. Am Vormittag war noch unser Schwiegersohn Clemens mit seiner Dogge da. Wir blieben lieber bei ihm als in eine Kirche zu gehen. Am Abend feierten Gerhild, meine Frau, und ich die Eucharistie. Das Hochgebet sprechen wir immer abwechselnd. Bei dem Teil, der der Wandlungsepiklese entspricht, sagten wir: "Wir haben hier Brot und Wein und bitten dich: Sende deinen Geist auf uns herab und reinige, heile und heilige uns, damit wir Leib und Blut des auferstandenen Jesus in diesen Gaben erkennen und uns immer mehr mit ihm und untereinander verbinden."

Alternativ dazu verwenden wir auch die folgende Formulierung, in der die Schechina, die Einwohnung ausgedrückt wird: "Wir haben hier Brot und Wein und bitten dich: Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit Leib und Blut des auferstandenen Jesus in ihnen wohnen und uns immer mehr mit ihm und untereinander verbinden."

In einem späteren Teil des Hochgebets sagten wir dann: "Wir bitten dich: Lass uns durch Brot und Wein Jesu Leib und Blut aufnehmen, damit wir immer mehr verwandelt werden und den Frieden bringen." (Siehe auch: 150. Auf der Suche nach der authentischen Eucharistie.)

Während der Kommunion hatte ich vorgestern folgendes Erlebnis: Der Leib des auferstandenen Jesus war auf einmal wie ein Schleier da. Er hatte keine menschliche Gestalt. Er verband sich so innig mit dem Fladenbrot, dass sie ununterscheidbar eins wurden. Ebenso war es mit dem Blut des auferstandenen Jesus und dem Wein.

Für mich ist nun die kosmische Messe, diese innige Verbindung überall wahrzunehmen und zu leben. Dieser sich entfaltende Vorgang, das ist die Realität der neuen Zeit, die seit zweitausend Jahren und gerade in diesen Tagen, wo man seine Hoffnung auf das Ende einer Epoche des Maya-Kalenders setzt, wieder besonders intensiv herbeigesehnt wird. Lassen wir die neue Zeit endlich zu, stellen wir uns ihr endlich ganz zur Verfügung!

Subjektiv ist das, was vorgestern mit mir geschah, ein Schlüsselerlebnis. Objektiv ist es ein Schlüsselereignis.

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174. Mein apostolisches Glaubensbekenntnis  -  13. April 2012

Nach meinem Ave Maria und meinem Vaterunser bespreche ich nun mein apostolisches Glaubensbekenntnis, indem ich meine Bearbeitung der in den Kirchen gesprochenen Fassung gegenüberstelle. Als mir vor langer Zeit auffiel, dass die Gute-Nachricht-Bibel das Wort "Glauben" durch "Vertrauen" ersetzt hat, war ich gar nicht damit einverstanden. Mittlerweile spreche auch ich nicht mehr von Glauben, sondern von Vertrauen, denn ich glaube nichts mehr und ich vertraue bedingungslos.



























1. Teil / Gott:
Wenn uns Gott Vater ist, dann ist er uns auch Mutter. Die zentrale Aussage ist, dass er die Liebe ist, nicht, dass er allmächtig ist. Letzteres geht auf die Bezeichnung "El Schaddaj" bzw. "Schaddaj" zurück, die in der hebräischen Bibel 7-mal (Langform) bzw. 41-mal (Kurzform) vorkommt. Die Bedeutung von "Schaddaj" ist unsicher. Martin Luther übersetzte "El Schaddaj" mit "allmächtiger Gott". Diese Übersetzung erzeugt das falsche Bild eines Gottes, der immer eingreifen könnte, es aber nicht tut. Schaddaj ist nicht der All-Mächtige, sondern der All-Genügende, die all-genügende Quelle. (Siehe auch: 151. Gott ist die Leere und die Fülle.)
Nach dem ersten Schöpfungsbericht schuf Gott die Welt durch sein Sprechen. Nach meiner Formulierung spricht Gott kontinuierlich, erfolgt die Schöpfung permanent.
Die Erwähnung von Himmel und Erde erzeugt das falsche Bild von getrennten Bereichen. Doch bereits das antike Judentum - nicht der Tanach, sehr wohl aber der Talmud - spricht von der Schechina, der Einwohnung Gottes unter den Menschen. Seine Gegenwart kann sich in einem überirdischen Lichtglanz manifestieren, sie kann aber auch ohne jede ausdrückliche Manifestation einfach die pure Anwesenheit Gottes und das Bewusstsein von seiner Präsenz sein. (Nach: Gershom Sholem, "Von der mystischen Gestalt der Gottheit", S. 142f.)

2. Teil / Jesus:
"Jesus Christus" ist zu einem Eigennamen geworden. Das verdeckt den Umstand, dass er der Messias ist. ("Christos" ist die griechische Übersetzung von "Messias".)
Die Formulierung „eingeborener Sohn“ stammt von Martin Luther. Im griechischen Original des Glaubensbekenntnisses steht hier "υ
ἱὸς μονογενς" ("hyios monogenes"), was „einzig geborener Sohn“ bedeutet. Das Wort monogenes kann aber auch "einzig in seiner Art, einzigartig" bedeuten.
Dass der Heilige Geist eine Jungfrau schwängert, lasse ich weg. Die damit verbundene Abwertung der Frau und der Sexualität ist zu unheilvoll.
Eine Zeile über das Leben Jesu habe ich eingefügt. Sein ganzes Leben ist für uns entscheidend, nicht nur die Art seines Todes.
In meiner Fassung steigt Jesus nach dem Tod nicht hinab und fährt dann nicht hinauf, um zur Rechten des Vaters zu sitzen, denn solche Ortsangaben und anthropomorphen Vorstellungen entsprechen unserem Weltbild nicht mehr.
Eine wesentliche Änderung, die ich vorgenommen habe, besagt, dass Jesus alle Menschen nicht richten wird, sondern dass er dabei ist, sie zurechtzurichten und zu neuem Leben zu führen.

3. Teil / Geist:
Hier betone ich, dass die Sendung des Geistes immerwährend erfolgt.
Das, was ich unter Kirche verstehe, endet nicht an den Grenzen der römisch-katholischen oder der evangelischen Kirche und auch nicht an den Grenzen der sogenannten Christenheit. Die Hingabe dieser Kirche im weiten Sinn trägt zur Vergebung der Sünden bei.
Die Auferstehung aller Menschen erwähne ich nicht explizit. Sie erfolgt jedenfalls nicht am Ende der Zeiten, sondern ist ein Prozess, der mit dem Tod eines jeden einzelnen Menschen beginnt.

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173. Der Tod am Kreuz  -  6. April 2012

Heute ist Karfreitag, der Tag, an dem um drei Uhr Nachmittag der Todesstunde Jesu gedacht wird.

Der Qur'an tadelt die Juden wegen ihrer Ablehnung Jesu: "Und weil sie sagten: 'Wir haben den Messias Jesus, den Sohn der Maria, den Gesandten Gottes, getötet'. Doch sie haben ihn weder getötet noch gekreuzigt, sondern es erschien ihnen nur so ... Doch nein! Gott hat ihn zu sich erhoben. Und Gott ist allmächtig, allweise." (Sure 4, 157-158.)

Die Mehrheit der islamischen Ausleger sagt dazu, dass ein anderer Mann, der Jesus ähnlich sah, gekreuzigt wurde. Die Sure enthält keine Angaben über Jesu Todesart und -zeitpunkt, sondern sagt nur, dass Gott ihn zu sich erhoben hat, was eine Ehre ist, die allen Propheten zuteil wird.

Es ist zu bedenken, dass der Qur'an mehr als 600 Jahre nach dem Tod Jesu verfasst wurde. Der 1. Korintherbrief und das Markusevangelium enthalten hingegen die Aussagen sehr früher Zeugen.

1 Kor 15,3-7 enthält das früheste Glaubensbekenntnis, das wir kennen. Wenn wir von den Formulierungen, die den Glauben betreffen, absehen, so wird hier jedenfalls festgehalten, dass Jesus gestorben ist und begraben wurde, und dass er verschiedenen Männern erschienen ist. Die Frauen werden nicht erwähnt.

Nach dem Markusevangelium starb Jesus am Kreuz mit einem lauten Schrei und wurde begraben. Maria von Magdala und zwei andere Frauen fanden am dritten Tag das leere Grab und hatten die Erscheinung eines Engels. "Da gingen sie hinaus und flohen vom Grabe hinweg; denn Zittern und Entsetzen hatte sie befallen; und sie sagten niemand etwas davon, denn sie fürchteten sich." (Mk 16,8.)

Nach den ältesten Textzeugen endet das Markusevangelium mit diesem Vers.

Bart D. Ehrman, den ich als integren Fachmann schätze, sagt zum Kreuzestod Jesu: "Tacitus' Bericht bestätigt, was wir von anderen Quellen wissen, dass Jesus auf Befehl des römischen Statthalters von Judäa, Pontius Pilatus, hingerichtet wurde." (Bart Ehrman, "The New Testament: A Historical Introduction to the Early Christian Writings", p. 197.)

"Ich denke, wir können mit einiger Zuversicht sagen, dass Jesus wirklich starb, dass er wahrscheinlich begraben wurde und dass einige seiner Jünger behaupteten, ihn später lebendig gesehen zu haben." (Bart Ehrman, "Jesus, Apocalyptic Prophet of the New Millennium", p. 229.)

Jesu Tod am Kreuz ist für mich eine historische Tatsache. Seine Auferstehung oder Auferweckung ist für mich eine Selbstverständlichkeit, denn jeder Mensch geht nach seinem Tod durch einen Prozess, der zu seiner Auferstehung führt. Ich sehe allerdings einen Unterschied zwischen Jesu Auferstehung und der Auferstehung anderer Menschen. Jesu Auferstehung ist im Augenblick seines Todes gegeben, in einer Fülle von Licht und Liebe und in der Vollmacht, die Liebe ohne Begrenzung durch Raum und Zeit einzusetzen. Andere Menschen erreichen dieses Stadium nicht unmittelbar. In meinem Buch "Vom Tod zum Leben - Ein Buch für das Leben und den Tod aller Wesen" habe ich das im Detail ausgeführt.

Eine weitere Frage ist die, ob der Kreuzestod Jesu notwendig war, um die anderen Menschen aus ihren Fesseln zu befreien. Dazu sage ich ein klares Nein. Die Gesamtheit seines irdischen Lebens und Sterbens und darüber hinaus seine kosmische Existenz sind ein unvorstellbar großes Geschenk an uns, dessen Bedeutung der Menschheit erst langsam klar wird. Keine höhere Macht hat verlangt, dass Jesus der Sündenbock und das Opferlamm für alle Vergehen der Menschen aller Zeiten sein soll. Jesus hat das furchtbare Schicksal der Erniedrigung und des qualvollen Todes auf sich zukommen gesehen und ist nicht ausgewichen, obwohl seine Flucht im Bereich des Möglichen gewesen wäre.

Auf diese Weise hat er sein Leben vollendet. Auf diese Weise hat er der Menschheit einen Weg gebahnt. Es war seine Weise, die wir mit größter Dankbarkeit annehmen dürfen.

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172. Eine neue Lehre mit Vollmacht  -  31. März 2012

Am Anfang seines Wirkens besuchte Jesus nach dem Markusevangelium die Synagoge in Kafarnaum. Von dem, was dort geschah, lassen mich zwei Sätze nicht los:
"Er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat." (Mk 1,22.)
"Hier wird mit Vollmacht eine neue Lehre verkündet." (Mk 1,27.)

Von den vielen Bedeutungen, die das griechische Wort  εξουσια (exusia) hat, das hier verwendet wird, hebe ich drei hervor: Autorität, Vollmacht, Freiheit.

Woher hat Jesus diese Vollmacht? Aus sich selbst? Aus einem anderen? Aus einer umfassenden Wirklichkeit?

Ich gehe davon aus, dass bei Jesus die Hingabe gegen unendlich gegangen ist, die Hingabe an Gott, den er mit Abba (Papa) anredet und dessen Willen er über den seinen stellt, und die Hingabe an alle Menschen, denen er begegnet. Aber mit seiner Hingabe ging auch seine Ermächtigung gegen unendlich. Und so konnte er bald nach dem Ereignis in Kafarnaum zu einem Aussätzigen sagen: "Ich will es - werde rein!" (Mk 1,41.)

Die vollständige Hingabe führte bei Jesus nicht zur Vernichtung der Eigenständigkeit, sondern zu ihrem Aufblühen. Und so kann, darf und soll es auch bei uns sein.

Welche kirchliche Obrigkeit lehrt und lebt dieses Aufblühen? Wer im Christentum hat die neue Lehre verkündet? Wer hat sie selbst gelebt? Es ist höchste Zeit!

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171. Wir feiern Eucharistie  -  14. März 2012

Vorgestern erschien in der Tageszeitung Standard ein Artikel mit dem Titel "Illegale Messen - Rom ermittelt". Der Vorspann lautete: "Tiroler Kirchenkritikerin Martha Heizer hat private Eucharistiefeiern veranstaltet - Gilt als schweres Vergehen in der Kirche." Die Stellungnahme des zuständigen Bischofs wird in den nächsten Wochen dem Vatikan zugehen, wo die Glaubenskongregation, die Nachfolgeorganisation der Inquisition, entscheiden wird.

Martha Heizer gehört zu einer Gruppe, die sich in Absam/Tirol seit Langem zu Bibellesung und Gebet trifft. Eines Tages bildete sich in der Gruppe spontan der Wunsch, auch gemeinsam Eucharistie zu feiern, ohne Anwesenheit eines geweihten Priesters. Eine dieser Feiern wurde im Vorjahr im Fernsehen übertragen.

Was sagt der Codex Iuris Canonici, das Gesetzbuch der römisch-katholischen Kirche, dazu?

"Can. 1378, § 2. Die Tatstrafe des Interdikts [...] zieht sich zu: 1° wer ohne Priesterweihe das eucharistische Opfer zu feiern versucht. [...]
§ 3. In den Fällen des § 2 können je nach Schwere des Delikts andere Strafen hinzugefügt werden, die Exkommunikation nicht ausgenommen."

Was bedeuten Interdikt und Exkommunikation in der römisch-katholischen Kirche?

Exkommunikation bedeutet nach Wikipedia den Verlust der Kirchengemeinschaft. "Der Exkommunizierte ist nach dem CIC von 1983 nicht berechtigt, die Sakramente oder Sakramentalien zu spenden oder zu empfangen. Außerdem darf er kein kirchliches Amt oder kirchliche Dienste und Aufgaben ausüben."

Das Interdikt (lat.: Untersagung) hat nur einen Teil der Strafwirkungen der Exkommunikation zur Folge. "Die Tatstrafe des Interdikts bedeutet für den Bestraften, dass er keine Sakamente empfangen oder spenden darf, keine Sakramentalien spenden und keinen liturgischen Dienst bei der Eucharistiefeier oder bei anderen Gottesdiensten übernehmen darf." (Nach www.kirchenrecht.ch unter "Nachgefragt".)

Gerhild, meine Frau, und ich machen auch solche Feiern, meistens zu zweit, nur gelegentlich sind schon andere Leute dazugekommen. Am ausführlichsten habe ich das in meinem Baustein 150. Auf der Suche nach der authentischen Eucharistie behandelt.

Da wir Martha Heizer gut kennen, macht es uns betroffen, wie gegen sie und ihren Mann vorgegangen wird. Und wir fragen uns: Was bedeuten unsere Eucharistiefeiern für uns?

Wir versuchen niemals, das eucharistische Opfer zu feiern, weil wir nämlich die Opfertheologie ablehnen. Wir feiern Eucharistie nicht in Konkurrenz oder Imitation von irgendetwas, das die römisch-katholische Kirche darunter versteht. Wenn wir auch durch Säuglingstaufe der römisch-katholischen Kirche angehören, so feiern wir doch Eucharistie nicht im Namen der römisch-katholischen Kirche, sondern im Namen und in der Gegenwart des auferstandenen Jesus.

Gott sei Dank sind Sprüche kirchlicher Gerichte in der heutigen Zeit nicht mehr als Waffe einsetzbar. In meiner Mail an den Bischof von Innsbruck habe ich in meinem Namen und im Namen von Gerhild geschrieben: "Wir beide stehen in voller Solidarität zu Frau Dr. Heizer und ihrer Gruppe, unabhängig vom Ausgang des Kirchengerichtsverfahrens. Frau Dr. Heizer und ihre Gruppe werden für uns immer authentische Nachfolger Jesu bleiben. Für uns hat Frau Dr. Heizer denselben Mut gezeigt wie Jesus, als er den Tempelbetrieb kritisierte und dabei sein Leben riskierte."

Ergänzung vom 11. Januar 2013:

Die sogenannte Tatstrafe, die sofort der Tat folgt, ohne dass sie von einem Gericht ausgesprochen werden muss, gibt es in keinem Rechtssystem außer im Unrechtssystem der römisch-katholischen Kirche.

Ergänzung von Ostermontag, 1. April 2013 (Autor dieser Ergänzung ist Helmut Rohner):

Ein Gedanke zur Entwicklung der Reformen in der katholischen Kirche  in den letzten Jahrzehnten:

Lange Verhinderung von Reformen führte zu grundlegenderen Reformen

Hätte Rom unsere kühnsten Träume erfüllt, so hätten wir jetzt in jeder Pfarre einen Pfarrer oder eine Pfarrerin, zölibatär oder verheiratet. Da Rom das so lange nicht gestattete, haben wir tiefer nachgedacht und haben festgestellt: Von Jesus her braucht es auch für die Sakramente und die Eucharistie gar keine Priester. Und so sind wir bei den Eucharistiefeiern ohne Priester angelangt. Damit ist die Gemeinde nicht mehr darauf angewiesen, was ihr die Hierarchie gewährt oder gestattet.

Und die Hierarchie hat keinen Zugriff mehr. In Absam/Tirol z.B. hieß es zuerst, die Gruppe, die sich öffentlich dazu bekennt, wird exkommuniziert werden. Doch nichts ist geschehen. Und wenn sie exkommuniziert worden wäre, hätte sie trotzdem wie bisher weitermachen können. Sie hätte sagen können: Eine Autorität, die verbietet, was von Jesus her erlaubt, ja sogar geboten ist, darf ignoriert werden. Die Sturheit der Leitung hat zu viel radikaleren Veränderungen geführt als es ihr Nachgeben getan hätte.

Ergänzung vom 22. Mai 2014:

Heute wurde bekannt, dass Martha Heizer und ihr Mann wegen der Abhaltung privater Eucharistiefeiern exkommuniziert worden sind. Der Sprecher der Diözese Innsbruck betonte, dass man kirchenrechtlich nicht von einer Exkommunikation seitens des Vatikans sprechen könne. Es sei eine "Selbst-Exkommunikation" festgestellt worden. Diese Argumentation ist heuchlerisch. Wollte man die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ treffen, deren Vorsitzende Martha Heizer ist?

Martha Heizer, die das Dekret nicht in Empfang nahm, sondern zurückwies, kann nun beim Bischof von Innsbruck die Rücknahme oder die inhaltliche Abänderung dieses Dekrets mit aufschiebender Wirkung beantragen.

Der Innsbrucker Bischof hofft auf Einsicht des Ehepaars Heizer. Ich hoffe hingegen auf Einsicht des Bischofs.

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170. Der Nullblickwinkel  -  12. März 2012

In diesen Bausteinen habe ich schon viel über multidimensionales Schauen geschrieben, beginnend mit dem Eintrag 41. Liebe und Multidimensionalität. Nun kommt das Gegenteil: Der Nullblickwinkel.

Vor genau einer Woche ist die Leiter weggerutscht, als Gerhild, meine Frau, gerade die höchsten Blätter eines Gummibaums waschen wollte. Eine gebrochene Rippe ist sehr, sehr schmerzhaft. Heute waren wir im Krankenhaus St. Pölten bei der Nachuntersuchung.

Selbstverständlich bin ich den ganzen Tag für sie da, in diesen Tagen. Heute habe ich den Blickwinkel des Spitalsarztes mitgekriegt, dann den Blickwinkel der Apothekerin, usw. Auf einmal habe ich mir unwillkürlich gesagt: Jetzt lasse ich alle Blickwinkel beiseite.

Lieber will ich das denken, was gerade zu denken ist - und das ist äußerst wenig.
Lieber will ich das tun, was gerade zu tun ist - und das ist äußerst einfach.
Lieber will ich das sagen, was gerade zu sagen ist - und es ist äußerst heilsam, vieles nicht zu sagen.

In der Mathematik gehören die Begriffe Null und Unendlich zusammen. Und wenn ich sage: "Ich verwende keinen Blickwinkel", und: "Ich verwende alle Blickwinkel", ist das nicht nahezu dasselbe?

Ergänzung vom 19. März 2012:

Gerhild war mit den Füßen circa zwei Meter über dem Erdboden, als der Unfall geschah. Gestern sagte ich mir: "Das ist doch nicht normal, dass ihr bei dem Sturz nicht mehr passierte. Ich schau einmal nach, ob da nicht ein Schutzengel im Spiel war." Im gleichen Augenblick sah ich genau an der Stelle, wo Gerhild gestürzt war, eine Lichtsäule mit ganz besonderer Atmosphäre, mit einer Atmosphäre von Du zu Du, aber in umfassender Weite. Die Lichtsäule war das Wesen, das vor zwei Wochen eingegriffen hatte. Es war außen von schimmernder Dichte und innen von kraftvoller Klarheit. Das entspricht dem, was ich in meinem Buch "Vom Tod zum Leben - Ein Buch für das Leben und den Tod aller Wesen" in dem Kapitel "Engel und andere nie geborene Wesen" geschrieben habe: "Die Klarheit der Engel geht im äußeren Bereich in eine schimmernde Weiße über."

Es ist für mich ein großes Geschenk, dass ich sehen durfte, mit welcher Rücksicht, Kraft, Unbedingtheit und Unbezwingbarkeit dieser Engel da ist. Gerhild und ich dürfen uns ihm anvertrauen und unsere Existenzweise seiner annähern.

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169. Frieden  -  5. März 2012

Mt 5,9 wird in der Menge-Bibel so übersetzt:
"Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Söhne Gottes heißen."

In der BasisBibel wird der Vers so übersetzt:
"Glückselig sind die, die Frieden stiften. Denn sie werden Kinder Gottes heißen."

In meiner Bearbeitung im Buch "Botschaft ohne Grenzen" wird dieses Thema durch zwei Sätze abgedeckt:
"Glücklich werden die, die nicht Gewalt anwenden, sondern die Kraft weitergeben, die sie von Gott empfangen, denn dadurch geschieht das, was Gott will."
"Glücklich werden die, die dort, wo Unfrieden herrscht, zum Frieden beitragen, denn sie erleben sich als Kinder Gottes."

Hildegard Goss-Mayr und ihr Mann Jean Goss widmeten ihr Engagement der Verwirklichung dieser Seligpreisung in ihrem Leben und im Leben aller Menschen, im Rahmen des Internationalen Versöhnungsbundes, der von Hildegards Vater mitbegründet wurde.

"Gewaltfreie, menschenwürdige und achtungsvolle Mittel sind fähig, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen, das Unrecht in den Haltungen der Menschen zu überwältigen – und konsequenterweise auch in den Strukturen. Sie schaffen die Möglichkeit für größere Gerechtigkeit, ja für Versöhnung." (Hildegard Goss-Mayr, zitiert aus www.versoehnungsbund.at.)

Der Weg, sich konsequent gegen Unrecht einzusetzen und dabei keine Gewalt anzuwenden, ist kein Honiglecken. Als Hildegard Goss-Mayr 1975 in Brasilien gegen die Folter und Ermordung Unschuldiger eintrat, wurde sie selbst inhaftiert und psychischer Folter ausgesetzt. "Wer immer sich für menschliche Grundrechte einsetzte, wurde verhaftet. Viele starben unter der Folter. [...] Zahlreiche Berater wurden ermordet, vor allem jene, die die Landbevölkerung im Kampf um die Bodenrechte berieten." (Aus: Hildegard Goss-Mayr, "Wie Feinde Freunde werden", S. 115/116.)

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Mai 1945 hat es eine ununterbrochene Folge von Kriegen und Bürgerkriegen gegeben. Wie man auf www.conflicthistory.com sehen kann, sind derzeit Afrika und der Nahe Osten am meisten betroffen. Medienberichte der letzten Zeit melden, dass nicht wenige Länder ihre Rüstungsausgaben drastisch erhöhen. Waffenhändler und Waffenproduzenten verdienen Unsummen. Die unheilvolle Ideologie des Krieges gegen den Terror fördert Konflikte und ruft neue hervor.

Im Jahr 2011 sind in Libyen und Syrien gewaltfreie Demonstrationen in bewaffnete Bürgerkriege übergegangen, mit Gewaltexzessen gegenüber unbeteiligten Männern, Frauen und Kindern. Die laute Stimme schreit nach Vergeltung und Brutalität. Die Stimme, die Gerechtigkeit ohne Hass und Gewalt erreichen will, ist ganz leise. Es ist die Stimme, die immer beide Seiten eines Konflikts ernst nimmt und beachtet.

Der österreichische Zweig des Versöhnungsbundes sucht derzeit Freiwillige für einen einjährigen Friedenseinsatz in der Friedensgemeinde San José de Apartadó in Antioquia/Kolumbien. Diese Region befindet sich seit Jahrzehnten in einem blutigen Konflikt zwischen Polizei, Militär, Inlandsgeheimdienst und paramilitärischen Gruppen auf der einen Seite und den Guerillagruppen auf der anderen Seite. Opfer ist die von den bewaffneten Gruppierungen terrorisierte Zivilbevölkerung. Seit der Gründung der Friedensgemeinde im Jahr 1997 wurden 150 Menschen ermordet, Gemeindemitglieder wurden immer wieder vertrieben, Vieh und Geld gestohlen.

Es hat nicht jeder Mann und jede Frau Unabhängigkeit, Mut und Sprachkenntnisse, um sich zu einem solchen Friedenseinsatz zu melden. Ich kann das nicht. Aber ich kann immer mehr Ausgewogenheit entwickeln, wenn ich auf meine Lebenskreise schaue. Ausgewogenheit, die stets darauf hofft, dass selbst in zynischen Gegnern das Herz ein Echo geben kann, wenn man ihnen zwar widersteht, sie aber spüren lässt, dass man sie als Menschen voll akzeptiert.

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168. Änderung der Vergangenheit  -  26. Februar 2012

Heute Morgen beim Gebet ist mir etwas ins Bewusstsein zurückgekommen, was ich eine Zeit lang vernachlässigt hatte. Was auch geschieht, entscheiden oder erleiden wir in der Gegenwart. Aber sehen wir von der Gegenwart einmal ab.

Es ist wichtig, nicht nur die Zukunft, sondern auch die Vergangenheit in die Hände Gottes zu legen, nicht nur die Zukunft mit allem, was kommen wird, mit Alter, Krankheit und Tod, sondern auch die Vergangenheit mit allen Erlebnissen und Ereignissen, bis zurück zur Geburt, ja sogar bis zurück zur Zeugung und Empfängnis. Und es ist wichtig, die Reinigung, Heilung und Heiligung des eigenen Lebens und des Lebens aller Wesen nicht nur im Hinblick auf alles Zukünftige zu erwarten und zu betreiben, sondern auch im Hinblick auf alles Vergangene. So wird die Vergangenheit geändert und Steine können von den Herzen fallen.

Was heißt das, die Vergangenheit wird geändert? Kann man denn sagen, die Schüsse in den Kopf der US-amerikanischen Kongressabgeordneten Gabrielle Giffords am 8. Januar 2011 haben nicht stattgefunden? Oder der 50-minütige Herzstillstand des niederländischen Prinzen Johan Friso, der am 17. Februar 2012 von einer Lawine verschüttet wurde, habe nicht stattgefunden und habe keine schwere Großhirnschädigung ausgelöst? Nein, so ist es nicht gemeint.

Kein Ereignis, das jemals stattfindet, ist statisch und fixiert. Es besteht vielmehr aus dem Integral aller Blickwinkel aller Wesen, die daran beteiligt sind oder davon erfahren. Und ganz besonders kommt es auf meine und deine Blickwinkel dabei an. Das heißt nicht bloß, dass man ein Ereignis so oder so sehen kann. Das bedeutet vielmehr einen Einfluss auf die reale Struktur des Vergangenen und einen Einfluss auf die realen Konsequenzen in der Zukunft.

Im Zeitgeschehen ist die Vergangenheit vorbei und die Zukunft noch nicht da. Von einer höheren Warte her, die nicht an die Zeit gebunden ist, sind Vergangenheit und Zukunft jedoch in gleicher Weise zugänglich.

Ergänzung vom 21. März 2012:

Bei der Änderung der realen Struktur des Vergangenen ist auch der Einfluss solcher Helfergestalten mit einzubeziehen, wie ich eine in der Ergänzung zum Baustein 170. Der Nullblickwinkel beschrieben habe. Welchen Einfluss hatte das Engelwesen auf die vergangene Situation? Welchen Einfluss hat es jetzt?

Ergänzung vom 17. April 2012:

Vor ein bis zwei Tagen habe ich mich mit einer vergangenen Situation auseinandergesetzt und fühlte mich total unfähig, die Vergangenheit zu ändern. Ich empfand es nur als Last, verschiedene Blickwinkel auf diese Situation einzunehmen oder zu generieren. Auf einmal war die Situation weg, sie war gänzlich verschwunden. Ich habe keinen Begriff, was die Situation war.

Nun frage ich mich: Ist es möglich, dass zwei Blickwinkel einander völlig auslöschen, sodass eine Situation auf null geht? Und ist diese Situation nur aus meinem Bewusstsein verschwunden oder existiert sie einfach nicht mehr? Ich neige zu letzterer Annahme.

Ergänzung vom 10. August 2012:

Jegliche Bedeutung, Wertung weglassen bzw. wegnehmen.
Jegliche Bedeutung, Wertung weglassen von dem, was gerade geschieht.
Jegliche Bedeutung, Wertung weglassen von dem, was geschehen wird.
Jegliche Bedeutung, Wertung wegnehmen von dem, was geschehen ist.

Änderung der Vergangenheit heißt Herausführen der Vergangenheit aus dem Bereich von Gier, Hass und Verblendung.

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167. Wer war die Gefährtin Jesu?  -  23. Februar 2012

In meinem Baustein 127. Aspekte der Weihe habe ich die Aspekte meiner Weihe zusammengefasst, einer Weihe, die ich Tag für Tag erneuere. Ich habe dort außerdem die Frage aufgeworfen, ob es wirklich realistisch ist, sich dem Herzen einer Gefährtin Jesu zu weihen. Bis vor Kurzem habe ich das so formuliert, dass ich mich dem Herzen Marias von Magdala weihe. In der letzten Zeit habe ich deutlich ein flaues Gefühl dabei bekommen. Daher habe ich übersinnlich nachgeschaut, was das bedeutet. Mir ist Folgendes herübergekommen: Die Gefährtin Jesu war eine Maria, aber nicht Maria von Magdala.

Maria (aramäisch eigentlich Marjam) war zur damaligen Zeit ein häufiger Frauenname. Aus den kanonischen Schriften der Bibel geht nicht hervor, dass Maria von Magdala die Gefährtin Jesu war. Sie war ihm von Herzen zugetan, aber als Jüngerin, nicht als Gefährtin.

Ein apokrypher Text, der auf etwa 160 n. Chr. datiert wird, ist das Evangelium der Maria. Es wird manchmal auch "Evangelium der Maria Magdalena" genannt, obwohl das aus dem Text nicht hervorgeht. Nach Mary Jane Chaignot ist die Maria des Evangeliums der Maria eine aktive Jüngerin und vielleicht sogar Jesu Hauptjüngerin ("primary disciple"). Meiner Meinung nach muss es offen bleiben, welche Maria gemeint ist.

Im Philippusevangelium, das  mindestens 100 Jahre später als das Evangelium der Maria entstanden ist, wird Maria von Magdala ausdrücklich als die Gefährtin Jesu bezeichnet, die er mehr liebte als die Jünger. Der Spruch 55, in dem das steht, ist übrigens ein nur lückenhaft erhaltener Teil der koptischen Übersetzung eines griechischen Originals, das verloren gegangen ist.

Auch in der Pistis Sophia, deren Teile zwischen 150 und 300 n. Chr. verfasst wurden, kommt Maria Magdalena vor, als Auslegerin von Texten und als Fragestellerin.

Im circa 100 bis 110 n. Chr. entstandenen Thomasevangelium tritt ebenfalls eine Maria auf. Von der Ortschaft Magdala wird auch in dieser Schrift nichts gesagt. Aus Logion 114 geht hervor, dass Maria zur ständigen Begleitung Jesu gehört. Im Logion 21 sagt Maria zu Jesus: "Wem gleichen deine Jünger?" Diese Maria bezeichnet sich selbst nicht als Jüngerin. Das weist sie als ebenbürtig, als kongenial aus, als Partnerin, Gefährtin. War es eine spirituelle Gefährtin? Von einer Hochzeit Jesu wird nirgends berichtet. Vielleicht wollte er keiner Frau zumuten, mit ihm Kinder zu haben, da sich das mit dem unsteten Leben eines Wanderpredigers nicht vertrug. Sicher war er sich bewusst, dass seine Art zu leben und zu lehren zu einer gefährlichen Konfrontation mit der jüdischen Oberschicht führen würde.

Daran, dass Jesus eine Gefährtin gehabt hat, zweifle ich nicht. Aber ich sage jetzt nicht mehr: „Maria von Magdala, deinem Herzen bin ich geweiht, jetzt und alle Tage meines Lebens und über den Tod hinaus." Sondern ich bete: „Maria, Gefährtin Jesu, deinem Herzen bin ich geweiht, jetzt und alle Tage meines Lebens und über den Tod hinaus." Und ich fühle, dass es so stimmt.

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166. Mein Vaterunser  -  6. Februar 2012

Nach meinem Ave Maria bespreche ich nun mein Vaterunser, indem ich meine Bearbeitung der in den Kirchen gesprochenen Fassung gegenüberstelle. Das Gebet ist im Zweiten Bundesbuch in zwei verschiedenen Versionen enthalten, nämlich  im Matthäusevangelium (Mt 6,9–13) und im Lukasevangelium (Lk 11,2–4).

Nur bei Mt heißt es "Unser Vater, der du bist im Himmel". Bei Lk steht einfach "Vater".
Nur bei Mt findet sich der Satz "Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf der Erde".
Nur bei Mt findet sich der Teilsatz "sondern erlöse uns von dem Bösen".
Der abschließende Lobpreis ist weder bei Mt noch bei Lk enthalten. Er tauchte in einer Gemeindeordnung vom Anfang des 2. Jahrhunderts auf und wurde in die späteren Abschriften des Matthäusevangeliums eingefügt.













1. Zeile:
Nur die kürzere Form ist eine echte Anrede. Außerdem ist Gott nicht "im Himmel", er kann an keinem Ort festgemacht werden.

2. Zeile:
Es geht darum, sich der ständigen und immerwährenden Gegenwart Gottes auszusetzen.

3. Zeile:
Das griechische Wort "βασιλεία" ("basileia") kann mit Königsherrschaft, Königtum und Reich übersetzt werden. Die Königsherrschaft Gottes ist da. Es geht darum, dass sie sich ausbreitet, dass wir Menschen ihre Anwesenheit immer deutlicher in die Welt bringen.

5. Zeile:
In meiner Version spreche ich nicht vom Himmel. In den alten Texten wird das Wort im Sinne des altorientalischen Weltbilds verwendet. Nach diesem Weltbild ist die Erde eine Scheibe und der Himmel ist ein Gewölbe darüber; er ist der Wohnort Gottes, in dem sein Thron steht. Diese Bilder entsprechen dem heutigen Bewusstseinsstand der Menschheit nicht mehr, wenn sie auch in vielen Menschen bis auf den heutigen Tag nachwirken.

6. Zeile:
Was wir zum Leben brauchen, nicht mehr und nicht weniger.

9. Zeile:
In der kirchlichen Fassung ist zwischen Zeile 8 und Zeile 9 eine Bedingung gegeben, nämlich die Bedingung, dass uns nur dann vergeben wird, wenn auch wir vergeben. Ich habe diese Bedingung durch die Bitte ersetzt, dass uns geholfen wird, vergeben zu lernen.

10. Zeile:
Gott ist nicht der Versucher. Wie in PM-Perspektive 04/2006 berichtet wurde, hat Ruth Lapide bei der französischen Bischofskonferenz nach jahrelanger Intervention erreicht, dass zumindest in Frankreich stattdessen gebetet wird: "Und lass uns der Versuchung nicht erliegen". Die Begründung für diese Version stammt von Pinchas Lapide, aus seinem Buch "Ist die Bibel richtig übersetzt? Band 1", und erfolgt durch Rückübersetzung des griechischen Textes ins Hebräische.
Ich habe lieber eine Formulierung gewählt, die tiefes, unerschütterliches Vertrauen ausdrückt.

11. Zeile:
Ich habe eine Formulierung gewählt, die weniger dazu geeignet ist, Geschehnisse auf einen bösen Komplex oder auf den Teufel zu projizieren.

(Siehe auch: 106. Und führe uns nicht in Versuchung?.)

Ergänzung vom 10. Januar 2013:

Nach Mt 6,9 und Lk 11,2 hat Jesus selbst den Seinen aufgetragen, so zu beten. Das Gebet geht zumindest in Teilen auf authentische Jesusworte zurück. Charakteristisch für den historischen Jesus ist die Bitte um das Kommen der Königsherrschaft Gottes, die aus der Perspektive der Armen formulierte Bitte um das tägliche Brot und die Betonung, dass wir den Schuldnern vergeben sollen. (Nach: Gerhard Krause, Gerhard Müller, Theologische Realenzyklopädie, Band 34, S. 511.)

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165. Mein Ave Maria  -  6. Februar 2012

In meinem Buch "Du bist Liebe - Die Johannesschriften der Bibel in neuer Bearbeitung" gibt es einen Anhang mit christlichen Grundgebeten in neuer Bearbeitung. Die Bearbeitungen sind aus dem Jahr 2008. In den darauffolgenden Jahren habe ich sie weiterentwickelt. Drei dieser Gebete bespreche ich nun in meinen Bausteinen, indem ich meine Bearbeitungen den in den Kirchen gesprochenen Fassungen gegenüberstelle. Ich beginne mit meinem Ave Maria. Die ersten vier Zeilen des Gebets stammen aus dem Lukasevangelium (Lk 1,28.42).









1. Zeile:
Die antiquierte Grußformel ist vereinfacht.
"Voll der Gnade" kommt von der lateinischen Vulgata ("gratia plena"). Im griechischen Originaltext steht "κεχαριτωμένη" ("kecharitōmenē"). Das kann man übersetzen mit "du Begnadete", "du Bevorzugte" oder "du Anmutige".

3. Zeile:
"Gebenedeit" kommt von der lateinischen Vulgata ("benedicta"). Im griechischen Originaltext steht "ε
λογημένη" ("eulogēmenē"). Das wird mit "gesegnet" übersetzt. "ελογημνη σ ν γυναιξν" ("eulogēmenē sy en gynaixin") ist eigentlich ein Komparativ oder Superlativ und bedeutet "mehr gesegnete als die anderen Frauen" oder "gesegnetste unter den Frauen".

4. Zeile:
Die antiquierte Formulierung "Frucht deines Leibes" habe ich durch einen Nebensatz ersetzt. Das geht allerdings beim Beten des Rosenkranzes aus rhythmischen Gründen nicht. In diesem Fall schlage ich vor: "Jesus, dein Sohn".

7. Zeile:
Statt "Sünder" schreibe ich "alle". Wenn man nämlich "Sünder" sagt, werden wir alle als mit der Erbsünde Behaftete der makellosen Mutter Jesu gegenübergestellt. Im Judentum gibt es bis heute keine Erbsünde. Auch für die ersten christlichen Generationen gab es die Erbsünde nicht. Paulus von Tarsus hat die Erbsündenlehre jedoch vorbereitet, durch eine überzogene Interpretation der Geschehnisse im Paradies. Augustinus von Hippo hat um das Jahr 400 diese Interpretation aufgenommen und weitergeführt und kann somit als der eigentliche Vater einer Erbsündenlehre angesehen werden, die vor allem die christlichen Kirchen des Westens bis heute belastet, wenn auch die römisch-katholische Kirche seit dem 2. Vatikanischen Konzil lieber von Sündenverflochtenheit als von Erbsünde spricht.

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164. Illustrationen schenken neue Dimensionen  -  25. Januar 2012

Vor einigen Tagen haben Gerhild, meine Frau, und ich – wie schon öfter – zusammen eine Eucharistiefeier gemacht, nach einer Liturgie, die ich entwickelt habe. Der Codex Iuris Canonici bedroht so etwas mit Interdikt bzw. Exkommunikation.

An diesem Abend war eine besondere kosmische Komponente dabei, die ohne Zweifel dadurch ausgelöst wurde, dass ich mich in der letzten Zeit in die Illustrationen vertieft habe, die Astrid Gavini zu „Vom Tod zum Leben - Ein Buch für das Leben und den Tod aller Wesen“ gemalt hat, also zu meinem neuen Buch, das bis zur Leipziger Buchmesse im kommenden März erhältlich sein wird.

Es ist mir gelungen, die besonderen schöpferischen Blickwinkel, die in diesen Illustrationen liegen, mit in den Blick zu nehmen, ohne meine eigensten Blickwinkel zu verlassen. Über das multidimensionale Schauen habe ich in meinen Bausteinen schon viel gesagt, beginnend mit 41. Liebe und Multidimensionalität.

Diese multidimensional bereicherte Eucharistiefeier ließ mich verstärkt erfahren: Wir alle haben wirklich eine kosmische Verantwortung, die über unser irdisches Leben hinausgeht.

Dazu kommt aber noch etwas anderes: Was bedeuten solche Bezeichnungen wie "katholisch", "evangelisch", "reformiert", "orthodox"? Sie sind einfach Bilder eines Kaleidoskops, das amüsiert gedreht werden kann. Oder das beiseitegelegt werden kann.

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163. So komme ich zu mir  -  14. Januar 2012

Das Gebet von Bruder Klaus, das seine Hingabe ausdrückt, begleitet mich schon lange. In nicht wenigen Bausteinen habe ich meinen Weg mit diesem Gebet beschrieben. Drei davon hebe ich jetzt hervor.

In 40. Hingabe als Grundprinzip des Lebens kann das Gebet in der Originalfassung nachgelesen werden.

In 56. Meine neuen Bodhisattva-Gelübde wird mein eigener Weg der Hingabe zusammengefasst und auf das Gebet von Bruder Klaus bezogen.

In 87. Mein Herr und mein Gott? ist der veränderte Text des Gebets zu sehen, den ich bis gestern Abend verwendet habe.

In letzter Zeit, durch das Älterwerden und zwei harmlose Krankheiten ausgelöst, ist mir immer klarer geworden, dass ich besonders auch auf mich selbst schauen muss. Zur Hingabe gehört unabdingbar dazu, dass man sich selbst in guter Verfassung hält und nicht dauernd in Stress versetzt, dass man eben auch sich selbst liebt und nicht nur andere Menschen und Wesen. Daher wurde das Gebet von Bruder Klaus immer unbefriedigender für mich, bis mir gestern Abend schlagartig die neue Schlusszeile eingefallen ist, die den Titel dieses Bausteins bildet. Die letzte Strophe des Gebets spreche ich jetzt so:

Du, mein Gott,
nimm mich mir
und gib mich ganz zu eigen dir
und deiner Menschheit und deinem Kosmos.
So komme ich zu mir.

Jetzt stimmt das Gebet wieder für mich.

Ergänzung vom 30. März 2015:

Drei Jahre später will ich das Gebet von Bruder Klaus nicht mehr mit so vielen eigenen Formulierungen belasten. Das zentrale Anliegen des Gebets ist doch die totale Hingabe an Gott, aus der dann der Dienst an der Menschheit und der Erde folgt, in ausgewogenem Maß, ohne sich selbst dabei zu verlieren. Ich wage es, den berühmten Satz der Teresa von Ávila „Gott allein genügt“ an das Gebet zu hängen, und spreche es jetzt so:

Du, mein Gott,
nimm von mir,
was mich wegführt von dir.

Du, mein Gott,
gib mir,
was mich hinführt zu dir.

Du, mein Gott,
nimm mich mir
und gib mich ganz zu eigen dir.
Du allein genügst.

Ergänzung vom 28. Januar 2019:

Im Vorjahr habe ich dem Gebet noch eine erste Strophe vorangestellt und seither bete ich es mit dieser Erweiterung:

Du, mein Gott,
ich widersage dem Bösen
und allem, was mich von dir abbringen will.

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162. Die grauenerregende Herrlichkeit  -  7. Januar 2012

Die Lehre des historischen Buddha beginnt mit den vier edlen Wahrheiten. Die erste ist die edle Wahrheit vom Leiden. "Geburt ist Leiden, Altern ist Leiden, Krankheit ist Leiden, Sterben ist Leiden, Sorge, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung sind Leiden; mit Unliebem vereint sein, ist Leiden; von Liebem getrennt sein, ist Leiden; nicht erlangen, was man begehrt, ist Leiden." (Aus: Nyānatiloka, "Das Wort des Buddha", S. 17.)

Das Leiden beim Nichterlangen dessen, was man wünscht, wird so charakterisiert: "Den dem Altern, der Krankheit, dem Sterben, den Sorgen, Klagen, Schmerzen, der Trübsal und Verzweiflung unterworfenen Wesen steigt der Wunsch auf: 'Ach, dass wir doch nicht mehr diesen Dingen unterworfen wären. Dass uns doch diese Dinge nicht mehr bevorstünden!' Solches aber lässt sich nicht durch Wünschen erreichen." (Ebd., S. 19.)

Die drei Merkmale werden so beschrieben: "Alle Gebilde sind vergänglich; alle Gebilde sind dem Leiden unterworfen; alle Dinge sind unpersönlich." (Ebd., S. 25.)

"Körperlichkeit ist vergänglich, Gefühl ist vergänglich, Wahrnehmung ist vergänglich, Geistformationen sind vergänglich und Bewusstsein ist vergänglich. Was aber vergänglich ist, das ist dem Leiden unterworfen; und was vergänglich, leidvoll und dem Wechsel unterworfen ist, da kann man nicht mit Recht behaupten: 'Das gehört mir, das bin ich, das ist mein Ich'." (Ebd., S. 25.)

Diese Formulierungen haben mit Pessimismus nichts zu tun. Sie entwerfen ein Bild der Existenz der Wesen, die als Menschen auf der Erde geboren werden und die Erde wieder verlassen müssen, ohne etwas mitnehmen zu können.

Alles fällt einmal weg, alles löst sich auf. Doch in diesem Wegfallen, in diesem Auflösen werden Samen der Erneuerung gelegt. Die Samen gehen auf, wenn jegliches Wünschen wegfällt, schon während des Lebens auf der Erde oder - bei späteren buddhistischen Lehrern - nach dem Tod.

Meine Körper- und Sinnenwelt ist ein schwer einstellbares System geworden, das auf kleinste Reize mit kräftigen Meldungen reagiert. Mein Erleben ist schön und schrecklich und sehr intensiv. Für meine Erlebniswelt habe ich in meinem literarischen Tagebuch am 13. März 1993 den Begriff "grauenerregende Herrlichkeit" kreiert.

Was wir von den Vorgängen auf der Erde berichtet bekommen, vor allem, wenn wir mehr als die Massenmedien einbeziehen, ist schön und schrecklich, segensreich und bestialisch. Die Menschenwelt als Ganzes ist ein schwer einstellbares System geworden, auf das man ebenfalls den Begriff "grauenerregende Herrlichkeit" anwenden kann.

Wird das Grauen die Herrlichkeit lähmen und zerstören? Das halte ich für unmöglich.

Wird das Grauen inmitten der Herrlichkeit die Augen aufschlagen und sich endlich selbst erkennen? Dafür lebe ich.

Das ins Unermessliche gesteigerte Wünschen und das Erlöschen des Wünschens werden eins sein.

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161. Christen und Jesuaner  -  7. Januar 2012

Unlängst traf ich eine alte Freundin von Gerhild und mir im Supermarkt, eine römisch-katholische Frau, die viel nachdenkt und liest. Sie sagte zu mir: "Eigentlich würde ich mich lieber nicht mehr Christin nennen, sondern Jesuanerin."

Ich antwortete: "Daran habe ich auch schon gedacht."

Viele andere haben schon daran gedacht. Zum Beispiel Jürgen Kuhlmann. In einer Predigt zum zweiten Ostersonntag sagt er: "Jesuaner nenne ich [...] Menschen, die von Jesu Programm ergriffen sind und überzeugt, seine Sache geht weiter. Von welcher Religion oder Philosophie sie sonst geprägt sind, ist insofern unerheblich. Gandhi, der Hindu, hat Jesu Gewaltlosigkeit genauer verstanden und radikaler praktiziert als fast alle Christen. Dass die Jesuaner Auferstehung und Hoffnung über den Tod hinaus nicht mitbekennen, unterscheidet ihre Glaubensgestalt von der christlichen, mindert aber nicht ihren Glauben. Selig, die nicht sehen (dass der Totgewesene lebt) und doch glauben: 'dass wir aus dem Tod hinübergeschritten sind ins Leben, weil wir die Brüder lieben' (1 Joh 3,14)."

Ich sehe mich selbst als einen Jesuaner mit ganz weitem Herzen. Für mich ist Jesus natürlich auferstanden, und der ganze Kosmos gehört zu seinem Auferstehungsleib. Wenn ich ihn anrede oder über ihn spreche, verwende ich aber immer seinen Namen und nie seinen Titel. Er ist er. Jesus ist Jesus.

In der Zeitschrift "The Modern Review" wurde im Oktober 1941 ein Artikel von Gandhi mit dem Titel "What Jesus Means to Me" veröffentlicht. Ich übersetze nun einen Teil dieses Artikels.

"Was bedeutet also Jesus für mich? Für mich war er einer der größten Lehrer, die die Menschheit jemals gehabt hat. Für seine Gläubigen war er der einzig gezeugte Sohn Gottes."

"Für mich beinhaltet es eine spirituelle Geburt. Mit anderen Worten, ich lege es so aus, dass in Jesu eigenem Leben der Schlüssel seiner Nähe zu Gott ist; dass er wie kein anderer den Geist und Willen Gottes zum Ausdruck brachte. In diesem Sinn sehe und anerkenne ich ihn als den Sohn Gottes."

"Wenn der Mensch nicht vom Weg abkommt, verführt durch falsche Lehren oder verdorben von falschen Führern, hat er in seiner Brust einen Antrieb zum Guten und ein Mitgefühl, das der Funke des Göttlichen ist, und das wird, wie ich glaube, eines Tages hervorbrechen in die volle Blüte, die die Hoffnung der ganzen Menschheit ist."

"Ein Beispiel dieser Blüte kann in der Gestalt und im Leben von Jesus gefunden werden. Ich weigere mich zu glauben, dass es heute oder in früheren Zeiten jemals eine Person gegeben hat, die sein Beispiel nicht dazu verwendet hat, ihre Sünden zu verringern, möglicherweise ohne es zu begreifen. In größerem oder kleinerem Ausmaß ist das Leben von allen durch seine Anwesenheit, seine Handlungen und die Worte, die seine göttliche Stimme gesprochen hat, geändert worden."

"Und weil das Leben Jesu die Bedeutung und die Erhabenheit hat, von der ich gesprochen habe, glaube ich, dass er nicht allein der Christenheit gehört, sondern der ganzen Welt; allen Rassen und Menschen, unter welcher Fahne, welchem Namen oder welcher Doktrin sie auch arbeiten, einen Glauben bekennen oder einen von ihren Vorfahren ererbten Gott anbeten."

Dazu sage ich: Diesem Jesus, der jetzt und hier lebendig ist, weil er auferstanden und kosmisch präsent ist, folge ich nach. Und man kann ihm nachfolgen, auch ohne ihn zu kennen oder ohne ihn zu verstehen, weil der Blick auf ihn durch Erklärungen und Taten von Menschen verzerrt und verstellt worden ist. Meine Kirchgemeinde ist die Menschheit und mein Gotteshaus ist die Erde.

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160. Jesus, dein Licht  -  3. Januar 2012

In der letzten Zeit fällt mir immer wieder das Lied mit diesem Titel ein. Der Text ist nach Joh 1,5; 3,19-21 und 2 Kor 3,18 gestaltet. Text der ersten Strophe und Refrain lauten in der deutschen Fassung so:

"Herr, das Licht deiner Liebe leuchtet auf,
strahlt inmitten der Finsternis für uns auf.
Jesus, du Licht der Welt, sende uns dein Licht.
Mach uns frei durch die Wahrheit, die jetzt anbricht.
Sei mein Licht, sei mein Licht!

Jesus, dein Licht füll dies Land mit des Vaters Ehre!
Komm, heil'ger Geist, setz die Herzen in Brand!
Fließ, Gnadenstrom, überflute dies Land mit Liebe!
Sende dein Wort, Herr, dein Licht strahle auf!"

Die Kraft des Lieds liegt im Zusammenspiel von Text und Musik. Leider finde ich keine akzeptable deutsche Aufnahme. Hier eine gute Aufnahme des englischen Originals: Shine, Jesus, Shine.

Wer beim Hören des Lieds sein Herz für diese Kraft öffnen kann, bekommt eine Vorstellung davon, was in uns und mit uns vorging, vor mehr als dreißig Jahren, als Johann Koller, der römisch-katholische Pfarrer von Wien-Hernals, ein Seminar bei Heribert Mühlen besucht hatte, vom heiligen Geist ergriffen wurde und zum Österreich-Leiter der charismatischen Gemeindeerneuerung ernannt wurde. Er wollte in diesem Sinn seine Pfarrgemeinde erneuern. Wie Jesus als Erstes zwölf Jünger berufen hatte, berief nun er zwölf Personen, Männer und Frauen, und führte sie durch ein solches Seminar. Ich war einer von den zwölf. Wir lieferten uns Gott aus, beteten um Heilung unserer Erinnerungen und Erwartungen, erneuerten unsere Wassertaufe und wurden zur Teilhabe an der Geisttaufe Jesu geführt. Dann begleiteten wir andere in weiteren Seminaren.

Die Erneuerung der Pfarrgemeinde als Ganzes scheiterte. Eine Pfarrgemeinde ist keine homogene, gleich gestimmte Menge. Die charismatische Gemeindeerneuerung gab später ihren Anspruch, ganze Gemeinden zu erneuern, auf. Heute heißt sie nur noch charismatische Erneuerung. Gerhild und ich gehören nicht mehr dazu, sind aber den Impulsen treu, die wir damals empfangen haben und die erst viel später zur Reife kommen konnten.

Leben, Tod und Auferstehung Jesu, Nachfolge Jesu, kosmisches Wirken des auferstandenen Jesus - das alles sind für mich geistliche Realitäten. Aber immer noch treibt der Fortschritt die Menschheit an, wie ein Schwungrad, das nicht vorzeitig gestoppt werden kann, der Fortschritt, der die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter aufgehen lässt, der die Armen versklavt und dahinsiechen lässt, der Unfrieden unter den Menschen und Völkern sowie Vergiftung und Zerstörung der Natur mit sich bringt.

Ich rufe Gott auf, den Geist der Erneuerung, nicht nur der charismatischen Erneuerung, sondern jeglicher aus Liebe zu den Menschen und zur Erde geschehender Erneuerung auszugießen, und zwar nicht über einzelne Menschen, sondern kollektiv, wie es noch nie geschehen ist. Die Zeit drängt. Und die Zeit ist reif.

Jesus, dein Licht füll die Welt mit des Vaters Glorie!
Komm, heil'ger Geist, setz die Herzen in Brand!
Fließ, Gnadenstrom, überflute die Welt mit Liebe!
Sende dein Wort, Herr, dein Licht strahle auf!

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159. Der Zeit ihre Religion  -  1. Januar 2012

Heute wurde das alljährliche Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker im Fernsehen übertragen. Im Intermezzo während der Pause wurde kurz das Wiener Secessionsgebäude gezeigt, und der Wahlspruch der Secession, der unterhalb der Kuppel angebracht ist, wurde besonders vergrößert: "Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit." (Der Wahlspruch ist von  Ludwig Hevesi.)

"Das [1897/98 erbaute] Gebäude der Wiener Secession gilt als bauliche Manifestation der Ideen der Künstlervereinigung rund um Gustav Klimt, Koloman Moser, Carl Moll und anderen, die sich dem konservativen Kunstdiktat des damaligen Künstlerhauses verwehrten ... Dem Fin de Siècle mit einer ganzheitlichen Kunst begegnen, deren Lebendigkeit bis in die Niederungen des Alltäglichen hinein wirkt! Dieser Anspruch sollte mit dem Gebäude der Secession einen realen Ort erhalten." (Aus einem Weblog-Eintrag bei CastYourArt.)

Man kann den Wahlspruch der Secession auch so auffassen: "Kunst ist Avantgarde. Kunst ist autonom und frei." (Nach Thomas Soraperra.)

In mir fragt etwas: Sollte man diese Sätze nicht erst recht auf Religion anwenden?

Der Zeit ihre Religion, der Religion ihre Freiheit.

Der heruntergewirtschafteten Religion mit einer ganzheitlichen Religion begegnen, deren Lebendigkeit in den Alltag hinein wirkt!

Religion ist Avantgarde. Religion ist autonom und frei.

Religion ist Beliebigkeit, wenn in Beliebigkeit ganz stark die Liebe steckt.

Religion ist Lebendigkeit, wenn ganz stark Liebe und Verbundenheit darinnen stecken, jetzt und hier.

Religion ist für mich ganz tiefe Verbundenheit, von Herz zu Herz, mit Jesus von Nazaret, Maria von Magdala (der Gefährtin Jesu) und Maria von Nazaret (der Mutter Jesu).

Feedback von Martina Luger:

Dieses Offen-sein ist nur wenigen geschenkt.

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158. Existiert der Kosmos durch Sprechen oder Singen?  -  29. Dezember 2011

Den Beginn der Bibel bildet der Bericht von der Schöpfung der Welt durch das Sprechen Gottes. Es wäre nun ein Irrtum zu glauben, dass Gott jemals aufgehört hat zu sprechen. Gott spricht ständig in die Welt hinein. Durch sein Sprechen entsteht alles, entfaltet sich alles, vergeht alles. Durch sein Sprechen wird in alles der Keim der Unvergänglichkeit gelegt.

Den Prolog des Johannesevangeliums liebe ich sehr. Nach diesem Prolog ist Jesus als Christus (der Gesalbte) das Sprechen Gottes, das alles hervorruft, bewegt und zur Vollendung führt.

Zu Weihnachten habe ich eine Klangschale bekommen, die nach traditionellem Verfahren aus sieben verschiedenen Metallen in Nepal handgehämmert wurde. Außerdem bekam ich das Klangschalen-Handbuch von Eva Rudy Jansen und Dick de Ruiter. Im Kapitel "Der Ursprung der Dinge" kann man lesen: "In den Schöpfungsberichten überall in der Welt trifft man auf den Klang als Quelle aller sichtbaren und unsichtbaren Dinge. Und dieser Klang ist den Dingen erhalten geblieben. So haben alle Elemente der Schöpfung ihren eigenen Ton, singen ihr eigenes Lied."

Das stimmt für mich zusammen mit Erlebnissen aus der frühen Kindheit, als ich vor dem Einschlafen immer wieder unglaubliche Klänge hörte und mich dabei durch den Weltraum getragen fühlte.

Kann man das, was den Kosmos trägt, also nicht nur als Sprechen, sondern auch als Singen und Klingen und Tönen sehen? Kann man den Schöpfungsbericht der Bibel und die Erweiterung durch das Johannesevangelium wie folgt verstehen?

Gott singt, und sein Singen hält den Kosmos in der Existenz, mit allem Werden und Vergehen und im Vergehen nicht Verlorengehen, mit allem Singen und Klingen und Tönen, mit allen hörbaren und unhörbaren Tönen und Geräuschen, die die Basis von allen Dingen, von allen Wesen bilden. Und Gottes Singen ist Mensch geworden und hat unter uns gelebt. Wer stimmt ein in sein Lied?

Feedback von Astrid Gavini:

Das ist sehr interessant, und - denke ich an die Lakota - fällt mir dazu ganz spontan nur eins ein: Der Schlag der Trommel im Rhythmus des Herzens! Überall gegenwärtig, dort, wo die Trommel geschlagen und zu Wakan Tanka gesungen wird. Dieser Rhythmus ist der Träger jedes traditionellen (spirituellen) Festes. Er ist der Rhythmus, die Sprache, der Gesang, der mit dem Großen Geist verbindet und das Rad des Lebens dreht.

Ergänzung:

Im Juni 1876 wurde in einem üppigen Tal am Little Bighorn River eine Indianerversammlung abgehalten, die Geschichte schrieb. Black Elk war damals dreizehn Jahre alt. Vier Jahre davor hatte er genau an diesem Ort seine große Vision empfangen. Nach Einbruch der Dunkelheit ertönten die Trommeln im Rhythmus des Herzschlags der Tänzer. Black Elk sagte zu Joseph Epes Brown, einem weißen Politiker: "Ich soll dir erklären, warum die Trommel für uns so bedeutungsvoll ist. Ihre runde Form verkörpert die Ganzheit des Universums und ihr gleichmäßiger, kraftvoller Rhythmus ist der Pulsschlag, das Herz, das im Mittelpunkt des Universums schlägt. Er ist die Stimme von Wakan Tanka. Er bewegt unser Herz und hilft uns, die Macht und das Geheimnis aller Dinge zu verstehen." (Aus: Linda L. Stampoulos, "Black Elks Vermächtnis: Ein alter Pfad zu innerer Kraft - Auf den Fußspuren eines heiligen Mannes der Lakota", S. 31.)

Das erinnert mich daran, dass ich mich dem Herzen der Erde und dem Herzen des Kosmos geweiht habe, in denen der transzendente Gott sich zeigt. (Siehe: 127. Aspekte der Weihe.)

Feedback von Wolfgang Auer:

Ich bin der Meinung, der Kosmos existiert durch den Rhythmus (Herzschlag). Es ist zu beobachten, dass Musik, die uns beruhigt, immer 60 Schläge pro Minute hat bzw. ein Vielfaches oder Teilbares: 60/90/120/150..., jedoch Musik, die uns aufwühlt, gegen den Herzrhythmus komponiert wird: 110/130/170 Schläge pro Minute.

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157. Schrödingers Kleidermotte  -  20. Dezember 2011

Vor längerer Zeit habe ich auf der Website des Autors Klaus-Dieter Sedlacek einen Weblog-Eintrag mit dem Titel "Wie kann Schrödingers Katze gleichzeitig tot und lebendig sein?" gefunden. Nach Wikipedia handelt es sich bei Schrödingers Katze um ein Gedankenexperiment aus der Physik, das 1935 von Erwin Schrödinger vorgeschlagen wurde. In diesem Experiment werden Vorstellungen der Quantenmechanik, die nur im mikroskopischen Bereich gelten, auf ein makroskopisches Objekt, eben auf die Katze, übertragen. Erwin Schrödinger wollte damit die sogenannte Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik veranschaulichen.

In einem geschlossenen Raum befinden sich eine Katze und ein instabiler Atomkern, der innerhalb einer bestimmten, sehr kleinen Zeitspanne mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zerfällt. Beim Zerfall wird Giftgas freigesetzt, das die Katze tötet. Gemäß der Quantenmechanik befindet sich der Atomkern nach Ablauf der Zeitspanne im Zustand der Überlagerung (noch nicht zerfallen und zerfallen). Nun stellt man sich vor, dass auch die Katze im Zustand der Überlagerung ist (lebendig und tot). Nach der Kopenhagener Deutung entscheidet sich erst bei der Messung durch einen äußeren Beobachter, ob die Katze tot oder lebendig ist.

Als ich Gerhild, meiner Frau, von Schrödingers Katze erzählte, sagte sie: “Nie würde ich erlauben, dass eine Katze für solche Experimente verwendet wird.”

Ich dachte nach, ob es ein Tier gäbe, das Gerhild akzeptieren würde. Da fiel mir ein, dass sie am Tag davor ein paar Mottenlarven in einem Wandteppich gefunden hatte. Daher fragte ich: “Und eine Kleidermotte?”

Sie antwortete nach kurzem Zögern: “Mit einer Kleidermotte kann man es machen.”

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156. Hair  -  13. Dezember 2011

Das Musical „Hair“ wird in diesen Tagen wieder in der Wiener Stadthalle gegeben, als  „swingendes Erlebnis“, als „Flower-Power-Festival“. Gerhild, meine Frau, und ich gehören zur 68er-Generation und für uns ist dieses Musical etwas ganz anderes. Es ist Teil unseres Lebensgefühls.

1968 kam das Musical „Hair“ heraus, mit dem bezeichnenden Untertitel „The American Tribal Love/Rock Musical“. Die Personen in „Hair“ bilden einen „Tribe“, einen Stamm, wie auch die indigenen Völker alle stammesbezogen sind. Und sie nehmen psychedelische Drogen, wie auch bei den indigenen Völkern Amerikas der Gebrauch des Peyote-Kaktus, der das Halluzinogen Meskalin enthält, verbreitet ist. Als das Musical 1970 in der Wiener Stadthalle gezeigt wurde, besuchten Gerhild und ich eine der ersten Vorstellungen. Ich sehe noch heute vor mir, wie die langhaarigen Mitglieder des „Tribe“ in den Gängen zwischen den Zuschauertribünen herabkamen und dabei Kontakt mit uns aufnahmen. Als sie unten im Bühnenbereich ankamen, folgte bald das erste Lied:

„Wenn der Mond im siebten Hause steht
und Jupiter auf Mars zugeht,
herrscht Friede unter den Planeten,
lenkt Liebe ihre Bahn.
Genau ab dann regiert die Erde der Wassermann …
Harmonie und Recht und Klarheit,
Sympathie und Licht und Wahrheit.
Niemand wird die Freiheit knebeln,
niemand mehr den Geist umnebeln.
Mystik wird uns Einsicht schenken
und der Mensch lernt wieder denken dank dem Wassermann.“

Dieses Lied enthält in konzentrierter Form die Grundgedanken des New Age, die Hoffnung auf ein neues Zeitalter. Aber wann beginnt denn nun eigentlich das Wassermannzeitalter? Der „Tribe“ des Musicals „Hair“ feiert den Beginn des Wassermannzeitalters schon 1968. Andere setzen den Beginn dieses Zeitalters im Jahr 2000 n. Chr. an, wieder andere im Jahr 2012 n. Chr., dem Jahr, in dem es nach dem Maya-Kalender zu einer Zeitenwende kommt. Genauere Überlegungen dazu habe ich in meinem Buch „Vom Tod zum Leben - Ein Buch für das Leben und den Tod aller Wesen“ im Exkurs über die Voraussagen der Maya und anderer angestellt. Dieses Buch wird in den nächsten Monaten erscheinen.

Im zwölften Song der damaligen Aufführung wird das Hare Krishna-Mantra gesungen, die Menschen werden zum Drop-out und Be-in eingeladen und dazu, Trips (LSD) zu nehmen, und das Mantra geht über in ein Marihuana-Mantra:

„Hare Krishna, Hare Krishna,
Krishna Krishna, Hare Hare.
Hare Rama, Hare Rama,
Rama Rama, Hare Hare.

Liebe, Liebe, Liebe, Liebe.
Drop out, drop out, drop out, drop out.
Be in, be in, be in, be in.

Marihuana, marihuana,
huana huana, mari mari.
Marihuana, marihuana,
huana huana, mari mari.“

Das letzte Lied des Musicals bringt die Gesellschaftskritik auf den Punkt:

„Wir sehen einander hungrig in die Augen,
in Wintermäntel eingehüllt
und in Düfte aus Retorten,
reden von einer Freiheit,
die nur auf dem Papier besteht,
während mit Musik das Boot,
in dem alle sitzen, schon untergeht.
Wir nur,
wir aber wissen, wenn wir singen,
wenn unsere Spinnwebsitars klingen,
das Leben kann von innen neu beginnen.
Lasst die Sonne,
lasst den Sonnenschein in euch hinein!“

Im deutschen Text fehlt eine Zeile. Hier ist der Schluss im englischen Original:

„Answer for Timothy Leary, dearie:
Let the sunshine,
let the sunshine in,
the sunshine in.“

Im englischen Text wird Timothy Leary erwähnt. Er propagierte in der Zeit, als das Musical verfasst wurde, den freien und allgemeinen Zugang zu bewusstseinsverändernden Drogen, und „Orange Sunshine“ ist ein Name für LSD. „LSD ist kein Suchtgift. Körperliche Abhängigkeit tritt nicht auf, Entziehungserscheinungen fehlen.“ (Zitat aus: Wolfgang Schmidbauer, Jürgen vom Scheidt, „Handbuch der Rauschdrogen“, S. 94.)

Meiner Meinung nach kann ein Ersterlebnis mit LSD, das keiner Wiederholung bedarf, ein Schritt zu einem umfassenderen Bewusstsein und zu einer Neuorientierung des Lebens sein. Die Verarbeitung eines solchen Erlebnisses dauert jedoch äußerst lange und wird durch weitere Einnahmen von LSD nicht gefördert, das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Ich habe noch die Schallplatte mit der Originalaufnahme der deutschsprachigen Uraufführung von „Hair“. Eine Besprechung des Musicals von Rolf Cyriax befindet sich auf der Rückseite. Sie beginnt mit den Worten: „Der unbekannteste und geheimnisvollste Teil der Hippie-Welt durchzieht das Musical HAIR: Die Mystik und Symbolik des Wassermanns.“ Und so geht es weiter. Die gesamte Besprechung liefert mir den Eindruck: Es geht um „die Hippies“, nicht um uns.

Meine Meinung ist dazu konträr. Die Anliegen des Musicals beziehen sich nicht auf „die Hippies“, auf die „Flower-Power-Generation“, deren Zeit nun – vierzig Jahre später – wieder vorbei ist. Es handelt sich um bleibende Anliegen, die uns alle angehen, um einen Appell zum Verzicht auf Gewalt gegen Menschen und die Natur. Ein großes Anliegen des Musicals ist die Anklage gegen den Vietnamkrieg, in dem die USA mit dem Abwurf des Entlaubungsmittels Agent Orange größte Kriegsverbrechen begangen haben, unter deren Folgen die vietnamesische Bevölkerung mit Missbildungen bei Kindern und erhöhtem Krebsrisiko bis heute leidet.

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155. Alternative Gedanken zum Advent  -  27. November 2011

Gestern Abend hat der Advent begonnen. In der abendlichen Eucharistiefeier wurden in den römisch-katholischen Kirchen die Adventkränze geweiht. Gerhild und ich waren nicht dabei. Unseren Adventkranz haben wir selber geweiht.

Schon vor vier Tagen war die Stimmung ganz adventlich, als wir in einer Gruppe beisammensaßen, die sich zum Singen und Beten, zu Schriftlesung und halbstündigem Schweigen, zum Gedankenaustausch traf. Es wurde von der Ankunft Jesu gesprochen, in Betlehem im Stall und am Ende der Welt.

Die Zeit des Advent beinhaltet das Gedenken der  Geburt Jesu, die vielleicht in Bethlehem erfolgte, und die Vorbereitung auf die Wiederkunft des auferstandenen Jesus. Die ersten Christen erwarteten die Wiederkunft Jesu in kurzer Zeit. Nach der Vision in der Offenbarung des Johannes beginnt andererseits gegen Ende unserer Weltzeit ein tausendjähriges Reich, in dem der auferstandene Jesus zusammen mit den auferstandenen Märtyrerinnen und Märtyrern herrscht. Am Ende dieses Reiches schwinden nach dieser Vision Himmel und Erde, die allgemeine Auferstehung und das allgemeine Gericht finden statt.

Am Ende der Offenbarung des Johannes sagt der auferstandene Jesus: "Ja, ich komme bald!" und der Autor des Buches antwortet: "Amen, komm, Herr Jesus!"

Gerhild und ich waren gestern Abend in der evangelischen Michaelskapelle in Eichgraben bei einem besonders gestalteten Nachtgottesdienst, der um 21 Uhr begann, mit vielen Kerzen und ohne elektrisches Licht. Auch dort fiel ein Wort vom Ende der Offenbarung des Johannes: "Der Geist und die Braut sagen: Komm!" Wenn Menschen, die sich Jesus zugehörig fühlen, beisammen sind, dann ruft in ihnen der Geist Gottes, dann rufen sie als die Braut dem Bräutigam Jesus zu: "Komm!"

Ein Lied, das ich bei der charismatischen Gemeindeerneuerung vor vielen Jahren kennengelernt habe, geht mir in diesen Tagen nicht aus dem Kopf. Es ist das Resucitó, das Jesus als den Auferstandenen verkündigt und eigentlich in die Osterzeit gehört. Im Refrain wird beim deutschen Text wiederholt gesungen: "Der Herr ist da, Alleluja." Meinem Gefühl und meiner Wahrnehmung entspricht die deutsche Formulierung sehr. Der auferstandene Jesus muss nicht erst kommen. Er ist da, in meiner Existenz und in allem, was existiert, als der kosmische Jesus, als der Jesus, der alles mit uns trägt, als der Jesus, der will, dass wir in seiner Nachfolge lernen, alles mit den anderen Menschen und allen anderen Wesen zu tragen, bis wir die Erde nicht mehr zerstören und in Frieden miteinander leben.

Er ist da. Glücklich, wer es jetzt schon spürt. Die anderen werden es nach ihrem Tod immer mehr erfassen, in dem Ausmaß, in dem sie aus Raum und Zeit herausgezogen werden. Wer Raum und Zeit nicht mehr unterworfen ist, muss auf seine Auferstehung nicht warten, bis die Erde verglüht oder bis sich der Kosmos auflöst, denn Warten gibt es nur in der Zeit.

Der Verfasser des Johannesevangeliums legt Jesus die Worte in den Mund: "Ich bin nicht gekommen, um die Welt zu richten, sondern um die Welt zu retten." (Joh 12,47.)

Das ist mein Verständnis von Jesus selbst und von seiner Nachfolge. Richten kann für mich nur die Bedeutung haben, andere - ohne Ausnahme - mitzutragen, bis sie zurechtgerichtet sind, bis das Ziel erreicht ist, dass keiner verloren geht.

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154. Die Namen Gottes  -  21. November 2011

Vorgestern hat Devakant ein Konzert in Wien gegeben, und Gerhild und ich waren dabei. Der erste Eindruck, den ich von ihm hatte, war: Er gibt Raum. Er lässt Menschen sein und werden. Er lässt sie aufblühen. Wer ist dieser Mann, der ganz hinter seiner Musik zurücktritt? Der den Menschen außer seiner Musik noch ausdrucksstarke Gemälde und Skulpturen schenkt? Der 1955 in Kalifornien geboren wurde und sich 1992 in der Toscana niederließ?

Auf seiner Homepage findet man folgende Beschreibung (Übersetzung von Werner Krotz):

Devakant ist Komponist, Sänger und beherrscht eine Vielzahl von Musikinstrumenten. Er hat die Traditionen sakraler Musik der Welt, einschließlich des gregorianischen Chorals, der klassischen Musik Indiens, der Musik von Zen-Klöstern und tibetanischen Tempeln und der schamanischen Traditionen Mittelamerikas erforscht. Von diesen Wurzeln her schafft er eine einzigartige Mischung von Klang und Stille und nimmt die Zuhörer in eine Welt des inneren Geheimnisses, an einen Platz des Friedens, der Harmonie und des Wohlbefindens mit. Was er schenkt, ist ideal für Meditation, Heilung und Energiearbeit sowie Entspannung, oder man genießt einfach die schöne Musik.

In einem Interview, das er dem Percussion Magazine im Jahr 2004 gegeben hat, erzählt er, dass er mit acht Jahren begann, klassische Trompete zu spielen. Ab dem sechzehnten Lebensjahr spielte er Flöte und mit siebzehn Jahren begann er, auf dem Klavier und der Violine zu üben. Nun lasse ich ihn selbst zu Wort kommen (Übersetzung von Werner Krotz):

"Unter den Instrumenten, die ich in meinen Konzerten spiele, sind Bansuri (indische Bambusflöte), Kyotaku (japanische Bambusflöte), Bassflöte, Sho (ein japanisches Rohrblattinstrument), Violine, Sarangi (eine altindische Violine mit vielen Saiten), Vina (die altindische Vorgängerin der Sitar), keltische Harfe, manchmal Keyboard und stets die Stimme. Ich spiele auch Cello, aber derzeit nicht in meinen Konzerten."

Vorgestern kamen Klangschalen dazu. An seiner Stimme und an den Instrumenten faszinierte mich der Obertonreichtum.

"Ich übe täglich. Bei jeder Übung gehe ich von der Stimme aus. Wenn ich Flöte oder Geige oder sonst ein Instrument spiele, ist das immer eine Erweiterung der Stimme. Um in einem indischen Stil Fortschritte zu machen, muss das Instrument so geschmeidig werden, als ob es gar nicht da wäre. Man muss mit dem Instrument verschmelzen, dann verschwindet es."

"Ich lebte ungefähr sieben Jahre in Indien und studierte dort bei vielen Lehrern der klassischen indischen Musik. In dieser Zeit wurde ich in meinen Studien von Osho, der mein Meditationsmeister war, stark beeinflusst. Er wies mir ständig die Richtung, in der ich zum Spielen aus einer Erfahrung der Stille kommen würde. Technik war nur ein Mittel, aber nicht das Ziel. Die Musik musste aus einer Stille des Herzens entstehen, sonst würde sie nur eine Art Lärm sein."

Von Osho hat er wohl auch den Namen Devakant (Liebling der Götter) erhalten. Man könnte auch Liebling der Existenz sagen, analog zu 153. Surrendered to Existence.

Am Ende des Interviews sagte Devakant:

"Die Musik hat mir ein ganz wundervolles Leben geschenkt, voll Zauber und Geheimnis und ständiger Abenteuer. Dazu war und ist totaler Einsatz meiner Energie erforderlich und beständiger Kampf, um Hindernisse zu überwinden, die manchmal sehr groß sind. Es ist so eine tiefe Freude am Ende eines Konzerts, all die Gesichter der Zuhörenden zu sehen, die voll tiefer Wonne sind, und ihre ganz reale Dankbarkeit zu fühlen. Ich denke, das war das Ganze wert, die Millionen Stunden der Übung und des Kampfs und der Anstrengung. Das ist es wert."

Von Kampf und Anstrengung war vorgestern Abend beim Konzert nichts zu spüren, auch nicht davon, dass er am Vorabend ein Konzert in Prag gegeben hatte und erst nach Wien reisen musste. Es war die Leichtigkeit eines Menschen gegeben, der alle Instrumente inklusive seines eigenen Körpers virtuos beherrscht. In vielen Kulturen nennt man einen Menschen dieser Art einen Meister.

Vorgestern Abend brachte Devakant auch einige Bhajans. Gegen Ende des Konzerts durften wir mitsingen. Eines davon lautet so:

Hari Om Namo Narayana. Om Namo Narayana. Hari Om Namo Narayana.
Om Namo Shivaya ...

Nach der Erklärung des Liedes auf der CD "Inside ... Is Forever" von Devakant bedeutet das:

O Herr, dein Name, Om, ist die Wahrheit.

Weitere Erklärungen:

Hari ist ein Beiname von Vishnu. Hari heißt "der die Herzen aller anzieht".
Om ist der kosmische Klang.
Om ist eine Manifestation der spirituellen Kraft und bedeutet die Gegenwart des Absoluten im Vergänglichen.
Hari Om ist ein Name Gottes, realisiert die Gegenwart Gottes.
Narayana ist ein Name für Vishnu.
Namo Narayana heißt "Ehre sei Vishnu".
Namo Narayana heißt auch "Ehre sei Gott im anderen Menschen".
Namo Narayana heißt auch "Ehre sei Gott in allen Wesen und im ganzen Kosmos".
Namo Shivaya heißt "Ehre sei Shiva".
Namo Shivaya heißt auch "Ehre sei Gott in mir selbst".
Namo Narayana und Namo Shivaya sind heilige Namen Gottes.

Mit diesem Bhajan, das eine Aneinanderfügung von Mantras ist, haben wir die Gegenwart Gottes realisiert und verehrt. Ich konnte nicht anders, als mich von Devakant mit der Grußgeste des Namaste zu verabschieden. Nach Deepak Chopra sagt man damit: "Ich ehre in dir den göttlichen Geist, den ich auch in mir selbst ehre – und ich weiß, dass wir somit eins sind." (Nach Wikipedia.)

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153. Surrendered to Existence  -  10. November 2011

Im Mai 2001 war ich in einer sehr schwierigen Situation und holte mir Hilfe, wo immer ich konnte. Ich verbrachte einige Tage in der Existential-psychologischen Bildungs- und Begegnungsstätte Todtmoos-Rütte. Am 13. Mai 2001 hatte ich ein eindringliches Erlebnis und ich schrieb folgende Notiz in mein Tagebuch:

Heute beim Morgenspaziergang oberhalb von Rütte:
Ich bin alle Herrlichkeit des Himmels und der Erde.
Niemals vergessen.

Und am 21. Mai 2001 schrieb ich das folgende kleine Gedicht:

das zerborstene herz
verteilt sich fein
über die ganze welt

Zu Pfingsten 2001 nahm ich zum ersten Mal an einem Wochenende der Singing Buddhas teil, in dem herrlichen, runden, lichtdurchfluteten Dom, der sich im Garten des Waldhaus Zentrums Lützelflüh im Emmental befindet. Viele der Leute, die zu diesen Wochenenden kommen, gehören zu Oshos Buddhafeld. Einige der Älteren haben mit Osho zusammen in Poona (heute Pune) bzw. Oregon gelebt.

Im August 2002 nahm ich an einem Meditations-Wochenende mit Milarepa und seiner Band teil, das im Evangelischen Tagungs- und Studienzentrum Boldern in Männedorf mit herrlichem Blick auf den Zürichsee stattfand. An diesem Wochenende erhielt ich den Osho-Namen Devadas, der für mich aus Poona geschickt worden war. Devadas ist ein indischer männlicher Vorname und bedeutet Schüler, Diener oder Sklave von Deva. Das Sanskrit-Wort Deva hat viele Bedeutungen. Ich führe hier nur die tiefste hinduistische Bedeutung an: "Brahman in Form eines persönlichen Gottes." (Aus: Lexikon der östlichen Weisheitslehren.) Die Leute aus Poona hatten die folgende Erklärung des Namens mitgeschickt: Surrendered to Existence (hingegeben an die Existenz).

Als im März 2003 eine kleine Schweizer Reisegruppe, zu der auch ich gehörte, mit Beduinen und Dromedaren in der tunesischen Wüste unterwegs war und zehn Tage lang im Freien übernachtete, war ich wieder in einer sehr schwierigen Situation. Da sah ich einmal in der Nacht, wie sich eine Sternschnuppe vom Himmel löste und zur Erde fiel. Spontan wünschte ich mir etwas und verfasste zu diesem Wunsch das folgende Gedicht in englischer Sprache:

a shooting star
a wish

to be surrendered to existence
in a way
that makes it possible
to find that special love
and special path
i am destined to find
and live

Damit hatte ich, ohne es zu wissen, mein Lebensprogramm formuliert. Dabei ist es geblieben, wenn ich auch den Namen Devadas seit September 2005 nicht mehr führe. Totalhingabe ist der Ausdruck meines Wesens geworden und ich bin immer am Üben, fast Tag und Nacht. Es geht um Totalhingabe an den letzten Grund der Existenz. Wer oder was ist dieser letzte Grund? Auf diese Frage hat man viele Antworten gefunden:
















Alle Worte in dieser Tabelle sind nur tastende Versuche. Wer sie bloß mit dem Intellekt zu erfassen versucht, hat nichts in Händen. Besser ist es, die Totalhingabe an den letzten Grund immer mehr in sich selbst zu erleben. Sie bedeutet vollständige Gebundenheit und vollständige Freiheit in einem, im Zusammenfall der Gegensätze. Sie bedeutet, in die Sphärenharmonie einzustimmen, in einer Verfassung, die vollkommene Ruhe und entschlossene Bewegung in einem ist, die alles Glück umfasst und keinem Unglück ausweicht. So ist es in Psalm 150,6 ausgedrückt:

Klassische Übersetzung:
Alles, was Odem hat, lobe den Herrn!

Meine Bearbeitung:
Alles, was Leben hat, lobe den Herrn!

Was eigentlich gemeint ist:
Alles, was existiert, lobe den Unaussprechlichen!

Jesus hat die Totalhingabe an Gott und die Menschen gelebt wie niemand sonst. Der auferstandene Jesus lebt die Totalhingabe an Gott und die Menschen und den Kosmos durch alle Zeiten und Räume und nimmt uns mit.

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152. Jeder sein eigener Luther  -  8. November 2011

Am 31. Oktober 1517 soll Martin Luther seine Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg genagelt haben. Das genaue Datum ist historisch nicht gesichert. Jedenfalls wird an jedem 31. Oktober der Reformationstag gefeiert. Am 31. Oktober 2011 waren Gerhild und ich beim Gottesdienst mit Abendmahl in der evangelischen Kirche unserer Ortschaft. Der Pfarrer entwarf in der Predigt ein eindringliches Bild von Martin Luther in der Zeit von der Veröffentlichung der 95 Thesen bis zum Wormser Reichstag. Anschließend sagte er einiges zu den Konsequenzen für unser Leben heute, brachte aber nichts vor, was mich überzeugt hätte.

An Martin Luthers 450. Todestag (18. Februar 1996) sind in Deutschland neue 95 Thesen zur Situation von Kirche und Gesellschaft entstanden. Weder die Originalthesen noch die neuen Thesen können mir durchgehend als Leitlinien dienen.

Wir leben in einer neuen Zeit. In einer Zeit der wachsenden Möglichkeiten für Selbstständigkeit, Eigenverantwortung und Verantwortung für andere Menschen und die ganze Erde. Es gibt starke Tendenzen, das zu unterdrücken, auf politischer und auf religiöser Ebene. Vielen Menschen werden weltweit diese wachsenden Möglichkeiten vorenthalten. Daher wird die Notwendigkeit immer dringender, Freiräume zu schaffen und Menschen entsprechend anzuleiten. So kann man Menschen glücklich machen und die Erde heilen.

Ein Beispiel dafür ist das in Ägypten beheimatete Sekem-Netzwerk, das europäisches und ägyptisches Kulturgut vereint. Das Buch seines Gründers habe ich gelesen: "Die Sekem-Vision: Eine Begegnung von Orient und Okzident verändert Ägypten" von Ibrahim Abouleish. Seine Initiative hat 2003 den Right Livelihood Award, der auch Alternativer Nobelpreis genannt wird, bekommen.

Mir geht es darum, die Freiheit einzufordern und zu verbreiten, die Jesus auf die Erde gebracht hat. Alle Thesen, alle heiligen Schriften der Welt sind Material in unseren Händen. Jesus hat uns den Ausgangspunkt für die Entfaltung unserer hingebungsvollen Herzen nahegebracht, zu unserem eigenen Wohl und zum Wohl anderer. In seiner Nachfolge ist jeder Mensch sein eigener Luther.

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151. Gott ist die Leere und die Fülle  -  6. November 2011

Schon als Student habe ich die Aussage des Nikolaus von Kues geliebt, der im 15. Jahrhundert lebte und sagte: In Gott fallen alle Gegensätze zu einer Einheit zusammen. Das Widerspruchsprinzip der aristotelischen Logik ist auf Gott nicht anwendbar.

Längst sind meine Blickwinkel durch Erfahrungen des Hinduismus und Buddhismus bereichert worden und ich sage: Gott ist die Leere und die Fülle. Das Wort "ist" darf dabei nicht im Sinne der aristotelischen Metaphysik verstanden werden. Gott ist die Leere und es ist keine Aussage möglich, wie er/sie/es in sich selbst ist. Gott ist die Fülle, er ist viel mehr als bloß eine Trinität von Vater, Sohn und Geist. Er ist auch Mutter. Der Vater ist nicht das bloß Zeugende. Die Mutter ist nicht das bloß Aufnehmende, sie kann nicht auf die Materie reduziert werden, wenn auch das Wort "Materie" mit lateinisch mater = Mutter bzw. matrix = Gebärmutter verwandt ist.

In der hebräischen Bibel gibt es Hinweise auf den mütterlichen Gott. In 1 Mose 17,1 und 1 Mose 49,25 wird Gott "El Schaddaj" genannt. "El" ist eine Bezeichnung für Gott. In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel, hat man für „Schaddaj“ das Wort euarestei (ευαρεστει) genommen, was "der Allmächtige" bedeutet. Wir wissen nicht, was "Schaddaj" genau heißt, aber wir wissen mit Sicherheit, dass die Übersetzung "der Allmächtige" falsch ist. El Schaddaj ist vielmehr der Gott, der mehr als genug ist, um die Bedürfnisse der Menschen in jeder Situation zu erfüllen. Gott ist wie ein Feld, das im Überschuss Früchte hervorbringt. Von ihm/ihr kommt die Segensfülle aus Brüsten und Mutterschoß. (Nach Walter J. Hollenweger u.a.)

Was ich da über Gott gesagt habe, dass er die Leere und die Fülle ist, dass in ihm die Gegensätze zusammenfallen, trifft das nicht letzten Endes auch auf dich und mich zu? Wer am Aschermittwoch in römisch-katholischen Kirchen das Aschenkreuz erhält, hört vom Austeilenden die Worte: "Bedenke Mensch, dass du Staub bist und zum Staub zurückkehrst" oder "Kehr um und glaub an das Evangelium". Der erste Satz spricht den Menschen an, der auf den Tod zugeht. Er ist endlich. Der zweite Satz spricht den Menschen an, der auf die Auferstehung zugeht. Er ist unendlich.

Im Hinduismus gibt es die Shakti, die Gemahlin Shivas, die göttliche Mutter. Ich habe sie immer geliebt. "Sie ist die Personifizierung der Urenergie, der Kraft Brahmans, der dynamische Aspekt Gottes, durch den er schafft, erhält und auflöst." (Aus: Lexikon der östlichen Weisheitslehren.)

Die Singing Buddhas, zu denen ich in meinen Schweizer Jahren gehört habe, singen Lieder aus vielen spirituellen Traditionen, auch Lieder, die die göttliche Mutter in all ihren Aspekten ehren.

Das erste Lied auf der CD "Motion of Devotion" der Singing Buddhas ist ein Mantra in der Vertonung von Manish Vyas. Es hat den folgenden Sanskrit-Text:

Sachara Chara Para Purna, Shivoham Shivoham
Nityananda Swarupa, Shivoham Shivoham
Anandoham Anandoham Anandoham Anandoham

Übersetzung auf der CD:

Meine wahre Natur ist unsterblich, ewig, rein, unendlich.
Ich bin Shiva, eins mit dem Göttlichen.
Ich bin Wonne, ich bin Wonne - göttliche Wonne bin ich.

Eine genaue Übersetzung des Mantras konnte ich nicht finden. Hier noch ein Satz aus einer Erklärung des Mantras von Sukadev Bretz: "Ich bin Purna, Fülle, Erfüllung aus Para, aus dem Transzendenten heraus."

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