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Vorwort (gekürzt)

Die letzte Wirklichkeit ist uns zugewandt, in einer vollständigen Hingabe. Wie glücklich werden wir, wenn wir diese Hingabe erwidern und wenn wir sie ausdehnen auf alles, was ist. Diesen Urliebenden, dem wir alles verdanken, nennen wir „Gott“.

Von Gott zu sprechen, von den Abenteuern Gottes mit den Menschen zu sprechen, erfordert einen Horizont, innerhalb dessen die Worte gewählt werden müssen, und eine Lebensgeschichte, von der aus geschaut wird. Der Horizont dieses Buches ist der Mono-theismus, und die Lebensgeschichte ist meine, die Geschichte eines Menschen, der in Mitteleuropa in der römisch-katholischen Kirche getauft wurde, aus dieser Kirche zweimal ausgetreten ist und in diese Kirche zweimal wieder aufgenommen wurde. Es ist die Geschichte eines Bewusstseins, das über die römisch-katholische Kirche hinausgewachsen ist zur einen, heiligen, allumfassenden Kirche Christi und weiter zur Gemeinschaft aller Menschen, die von der Liebe Jesu Christi umfangen werden. Hier kommt man an keine Grenze mehr.

Von Gott zu sprechen, erfordert auch Zitate aus der Bibel, bei diesem Buch aus der Menge-Bibel, die eine Übersetzung von philologischer Gründ-lichkeit bietet.

Die Bezeichnungen „Altes“ und „Neues Testa­ment“ haben im Lauf der Geschichte zu Missverständnissen geführt und zum Antijudaismus beigetragen. Außerdem versteht man heutzutage unter dem Wort „Testament“ etwas anderes als zu der Zeit, als diese Bezeichnungen geprägt wurden. Ich schließe mich daher den Bezeichnungen der Reformierten Kirche der Niederlande an, die ich bei Erich Zenger gefunden habe, und spreche vom „Ersten“ und vom „Zweiten Bundesbuch“.

Was in der Bibel niedergeschrieben ist, ist für uns Wort Gottes in menschlicher Sprache. Das Menschliche überwiegt dabei sehr. Zeit-bedingte Ausdrucks- und Erzählweisen, die damals übliche Art und Weise, die Schrift zu zitieren, die Theologien verschiedener Verfasser, die damaligen sozialen Gegebenheiten, einander widersprechende Über-lieferungen und die Verquickung von Frohbotschaft und Drohbotschaft lassen das Wort Gottes oft in den Hintergrund treten. Dazu kommt noch, dass der Geist Gottes zu allen Zeiten und besonders heute und jetzt wirkt und artikuliert werden will in einer Art und Weise, die über die Botschaft hinausgeht, die von den biblischen Autoren festgehalten werden konnte.

Die Spur der Liebe aufzunehmen und den Weg der Liebe weiterzugehen ist die Aufgabe dieses Buches.

Pressbaum bei Wien, 9. Juni 2008


Einleitung (zum Hauptteil des Buches)

Die Bibel ist "Wort Gottes in menschlicher Sprache". Diese Formulierung findet man in Dokumenten des Vatikans genauso wie in Dokumenten anderer Herkunft. Wer hingegen sagt, dass die Bibel in allem und jedem wörtlich zu verstehen ist, wird heutzutage als fundamentalistisch bezeichnet.

Paulus hat die Bibel noch wörtlich verstanden. Im Brief an die Römer führt er aus, dass durch Adam die Sünde und der Tod in die Welt gekommen ist, durch Jesus die Rechtfertigung und das Leben. (Siehe Röm 5,12-21.) Für uns ist Jesus eine historische Person, Adam aber nicht. Adam ist der Urtyp des Menschen. Der Name Adam (אדם) bedeutet „der von der Erde genommene“, und die Erde heißt im Hebräischen Adama (המדא).

Paulus legt die Bibel aus, wie es damals unter Schriftgelehrten üblich war. Beim Zitieren nahm man eine Schriftstelle aus dem Zusammenhang heraus, in dem sie der ursprüngliche Verfasser formuliert hatte, und gab ihr eine neue Bedeutung.

Im ersten Brief an die Korinther überliefert uns Paulus ein sehr frühes Glaubensbekenntnis der Christenheit: „Ich habe euch nämlich an erster Stelle mitgeteilt, was ich auch überkommen habe, dass Christus für unsere Sünden gestorben ist, den Schriften gemäß (Jes 53), und dass er begraben und dass er am dritten Tage auferweckt worden ist, den Schriften gemäß (Hos 6,2; Ps 16,10), und dass er dem Kephas (= Petrus) erschienen ist, danach den Zwölfen. Darauf ist er mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal erschienen, von denen die meisten jetzt noch leben, einige aber entschlafen sind. Darauf ist er dem Jakobus erschienen, danach sämtlichen Aposteln. Zuallerletzt aber ist er gleichsam als der Fehlgeburt (= einer unzeitigen Geburt) auch mir erschienen.“ (1 Kor 15,3-8.)

Paulus schreibt hier nicht, auf welche Schriftstellen er sich bezieht. Die angegebenen Stellen hat Hermann Menge dazugeschrieben. Auf eine davon gehe ich nun näher ein.

Der in Jes 53 enthaltene Text hat als Verfasser einen uns unbekannten Propheten, den wir Deuterojesaja nennen. Das Kapitel enthält das vierte Lied vom Gottesknecht, der die Schuld anderer auf sich genommen hat und unschuldig von der Strafe getroffen wurde, dem jedoch der Herr wieder Leben und Nachkommenschaft gegeben hat. Als Gottesknecht könnte das zerstörte Jerusalem gemeint sein. Denn man nimmt an, dass der unbekannte Prophet zu der Zeit gelebt hat, als der Perserkönig Kyrus die Babylonier besiegte, die exilierten Israeliten zurückkehren ließ und den Wiederaufbau des Tempels gestattete. Als Gottesknecht könnte auch der unbekannte Verfasser selbst gemeint sein.

Bei den Israeliten wurde jährlich ein Ritus vollzogen, bei dem man alle Schuld des Volkes einem Bock auflud und diesen dann in die Wüste trieb. (3. Mose 16,21-22.) Bis zum heutigen Tag werden Sündenböcke gesucht und gefunden, denen man die Schuld aufladen, sie vertreiben oder sogar töten und sich nachher frei fühlen kann. Diese Freiheit ist eine Illusion, denn bald wird der nächste Sündenbock gebraucht. Ein solcher Sündenbock kann eine Einzelperson oder ein Kollektiv sein.

Das vierte Lied vom Gottesknecht gehört zur Karfreitagsliturgie der römisch-katholischen Kirche. Damit wird ausgesagt, dass auch Jesus nach dem Sündenbock-Modell behandelt worden ist. Die Bedeutung Jesu ist jedoch umfassend und seine Potenz ist zu groß, als dass man ihn durch so ein Modell ganz verstehen könnte. Seine Bedeutung und Potenz sind auch zu groß, als dass sie in der Theologie des Paulus oder anderer Schriftsteller des Zweiten Bundesbuches für alle Zeiten eingefangen werden konnten. Gott hat sich dem Volk der Israeliten als JHWH (יהוה) zu erkennen gegeben. In diesem Volk, in Galiläa, wurde Maria geboren, und sie hat Jesus zur Welt gebracht. Jesus hat die Menschen sehr geliebt und ist auch vor den Untaten nicht zurückgeschreckt, die an ihm vollzogen wurden. Maria hat ihr Leben der Sendung ihres Sohnes untergeordnet und hat dadurch eine sehr starke weibliche und mütterliche Liebe entwickelt. In Hingabe an Gott und in liebender Verbindung mit Jesus und Maria können wir deren Lebensaufgabe weiterführen in ungeahnte Bereiche hinein.

Gott hat sich darauf eingelassen, die Welt und die Menschen ins Leben zu rufen. Daher spreche ich von den Abenteuern Gottes. Als erstes Abenteuer habe ich den Bund bezeichnet, wie er im Ersten Bundesbuch beschrieben wird. Als zweites Abenteuer habe ich die Erneuerung des Bundes im Zweiten Bundesbuch bezeichnet. Das dritte Abenteuer Gottes hier und heute geht über diese beiden heiligen Bücher hinaus. Dass wir das erfassen können, dazu wirkt der Geist Gottes in den Menschen und in der Welt. Die heiligen Bücher sind unsere Grundlage. Doch vieles an den Lebensregeln und auch vieles an den Glaubenslehren in diesen Büchern ist zeitlich bedingt. Wir brauchen aber keine neuen heiligen Bücher, sondern das Zusammenwirken aller Menschen, deren Liebe und deren Vertrauen sich dem Grenzenlosen annähert.


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