Zu Kapitel 6 des Daodejing
Langsam
steigt der Morgen
aus der Nacht.
Die Sichel des Mondes
noch da
und dann vergessen.
Die Sonne
noch zart
löst sich aus dem Schoß
des Horizontes,
eine rote Scheibe
im hingehauchten Nebel.
Da
geballte lebendige Glut
gebiert sich ohne Ende
aus dem unaussprechlichen,
dem dunklen,
dem mütterlichen Schoß.
14. 9. 1982
Zu Kapitel 70 des Daodejing
Ich bin,
der ich bin.
Ich bin in allen Kulturen
für alle Menschen da.
Mein Wort
gerät in Vergessenheit
und wird geschmäht.
Doch mein Wort
kehrt nicht uverrichteter Dinge
zu mir zurück.
Es führt das aus,
was ich ihm aufgetragen habe.
Ich bin tiefer
als der tiefste See,
wandlungsfähiger
als die Bilder im Kaleidoskop,
unverrückbarer
als der höchste Berg.
Du sollst dir
kein Bild von mir machen.
2. 5. 1991
| JETZT tanzen die regenwürmer aufwärts durch die rote erde |
Blätter des Dao
Zu Kapitel 25 des Daodejing
Ein Brunnen
fließt in mir.
Manchmal
fließt er stark,
manchmal
versiegt er,
einmal
klares Wasser,
dann wieder
mit Lehm vermischt.
Das Dao
ist nur eine Bewegung,
eine einzige kleine Bewegung,
die schon gar keine
Bewegung mehr ist.
13. 10. 1982
Zu Kapitel 81 des Daodejing
Eine Kerze brennt,
und dann verlöscht sie.
Du gehst und siehst
immer neue Horizonte,
bis eines Tages
kein Horizont mehr da ist.
Das Namenlose
hat keine Namen.
2. 2. 1983